FWG Osterode am Harz Politik für Stadt und Landkreis - Daten, Fakten, Konzepte. |
Nach einem massiven Zustrom von Asylbewerbern suchte das Land später nach geeigneten Liegenschaften zur Erstaufnahme. Der Blick fiel auf Osterode. Allerdings will das Land die Einrichtung nicht selbst betreiben, der ursprüngliche Plan, das den derzeitigen Eigentümer machen zu lassen, wurde nach öffentlicher Diskussion fallengelassen: Koch trat bei der öffentlichen Ankündigung seiner Pläne im November 2014 in der Presse mit einem Jan Karras aus Hamburg auf; es wurde in der Folge insbesondere vom Kreistagsabgeordneten der Linken vermutet, dass dieser eine Söldnerfirma betreibt, die sozusagen gleich für Nachschub bei der Asylbewerbern sorgen könne (die entsprechende Website greenzone-consulting.de wurde mittlerweile aus dem Internet genommen, ist aber noch im Internetmuseum archive.org erreichbar). Im Mai 2015 wurde das Interesse an der Nachnutzung der Kaserne dadurch befeuert, dass das Land offenbar den Landkreis drängte, es bei den baurechtlichen Auflagen (insbesondere beim Brandschutz) nicht so genau zu nehmen (Bericht des NDR; "Bauaufsicht soll Recht beugen" titelte die Lokalzeitung). Und zu einem bundesweiten Thema wurde es endgültig, als sich der Schauspieler Til Schweiger zu Wort meldete mit dem Wunsch, aus der Kaserne ein "Vorzeigeasylheim" machen zu wollen. Im Zuge der entsprechenden Recherchen stellte sich dann heraus, das besagter Jan Karras (von dem allerdings nach seinem Auftritt im November 2014 nichts mehr zu hören war) offenbar für den Personenschutz Schweigers zuständig war und der Hamburger Türsteherszene entstammt, so jedenfalls der STERN.
Ein Zeichen unglaublicher Inkompetenz
Dass die Princess of Finkenwerder Gmbh & Co. KG kein Geld hat, war doch von Anfang an klar (z. B. Bilanz im Bundesanzeiger). Und hätte das Land eine Bonitätsauskunft eingeholt, wäre alles klar gewesen. Stattdessen setzt sich das MI monatelang mit diesen Leuten an einen Tisch. Bei einer Kreditausfallwahrscheinlichkeit der Princess von 96 Prozent hätte jede Sparkasse oder Genossenschaftsbank den Geschäftsführer achtkantig rausgeworfen. Das ist für mich ein Zeichen unglaublicher Inkompetenz.
Das MI und seine Beamtenschaft kommt mir immer mehr durchpolitisiert und durchideologisiert vor. Ohne Til Schweiger hätte es nie diese Presseöffentlichkeit nebst Recherchen gegeben. Dafür sollte man ihm dankbar sein.
Wolfgang Wegener, Osterode
Nach Erscheinen dieses Leserbriefs am 22. August habe ich übrigens in diversen Gesprächen von hier vor Ort auch vorhandenen Befürchtungen erfahren und davon, dass man sich selbst im Bekanntenkreis kaum noch traue, darüber zu sprechen, weil man da ja gleich in die Nazi-Ecke gestellt werde. Kein Wunder, wenn hohe Funktionsträger Begriffe wie "Pack" verwenden, pauschal ganze Landstriche als "Dunkeldeutschland" diffamieren etc.. Verständlich jedenfalls, dass es nun Diskussionen in der Stadt und insbesondere im Stadtteil Dreilinden gibt: Was kommt da auf uns zu? Bleibt es bei 600 Asylbewerbern oder wird es wie anderso zu chaotischen Verhältnissen kommen usw.? Und sind z. B. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nicht bereits im Natostaat Türkei vor Krieg sicher, bevor sie dann zur Insel Kos (Griechenland) übersetzen? Vieles ist da noch unklar, eines steht aber wohl schon fest: Sollten hier wie zu Bundeswehrzeiten 1000 Menschen wohnen, dürfte die Kläranlage der Stadt wohl besser ausgelastet werden und die Abwassergebühren sinken. Ob dies auch für die Grundstückspreise gilt, bleibt abzuwarten.
So, das musste mal raus.
Update nach Hinweis
Natürlich sind die Hotelkosten in der Erstaufnahmeeinrichtung Verhandlungssache; Verträge zwischen Bund/Land und Privaten sind auch nicht ohne weiteres öffentlich. In Bergisch-Gladbach beträgt der Mietkostendurchschnitt (verteilt über die ganze Stadt) 3600 Euro/a entsprechend 300 Euro/Monat/Asylbewerber (bei Gesamtkosten von 12000 Euro/a/Asylbewerber). Diese Quelle halte ich für informativ (viele weitere Infos zur Debatte) und (halbwegs) seriös.
Update vom 17. 9. 2015
In der gestrigen Sitzung des nds. Landtages stellte der Vorsitzende der CDU-Fraktion Björn Thumler fest: "Die größte Baustelle ist der fehlende Vollzug der Ausreisepflicht". Die Braunschweiger Zeitung berichtete dazu, auf Druck der Landesregierung und der SPD-Fraktion solle der sog. Rückführungserlass vom 23. September 2014 geändert werden, die Grünen lehnten dies ab. Abschiebungen werden danach mehrfach angekündigt, abgelehnte Asylbewerber erhielten zudem offizielle Belehrungen über die Möglichkeit, die Härtefallkommision des Landes anzurufen.
Ich habe am 11. September den Abgeordneten Björn Thümler hier auf dem Portal abgeordnetenwatch.de gefragt, wieviele der abgelehnten Asylbewerber auch tatsächlich abgeschoben werden - eine Antwort steht noch aus (Update: Die Frage wurde am 22. Oktober beantwortet und ist unter dem angegebenen Link nachlesbar). Bekannt sind Zahlen aus Berlin. Der dortige Innensenator teilte in der Abendschau des RBB vom 31. August mit, dass 2014 von 9600 abgelehnten Asylbewerbern 600 auch tatsächlich abgeschoben wurden, das entspricht einer Quote von 6 Prozent. Damit liege Berlin unter den Bundesländern auf fünft"bester" Stelle. Eine Mail an den Innensenator vom 5. September mit der Bitte um diese Statistik blieb allerdings bis heute unbeantwortet.
Ok, einer geht noch. In diesem Video wird die Bundeskanzlerin von einer Diskussionsteilnehmerin gefragt, wie sie Europa und unsere Kultur schützen wolle. Das bereits 125 324 mal geklickte Video eines kanadischen Journalisten würde in Deutschland wohl nie im ÖRR gesendet werden. Aber manchmal hilft der Blick von außen ja auch.
Update vom 30. 1. 2016
(Leserbrief in der heutigen Ausgabe des Harzkurier zur Legalität von Grenzübertritten)
Na ja, ganz so ist das aber nicht. Im Einklang mit dem Wortlaut des GG schreibt der § 18 Abs. 2 Nr. 1 des Asylgesetzes zwar vor, dem "Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn er aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) einreist", Abs. 4 Nr. 2. sieht aber vor, "von der Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung ist im Falle der Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) abzusehen, soweit das Bundesministerium des Innern es aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland angeordnet hat."
Dazu schrieb die FAZ am 21. Januar ("Ein Geheimerlass zur Öffnung der Grenze?"): "Ohne eine solche Anordnung wäre die ungehinderte Einreise der vielen (syrischen) Flüchtlinge offensichtlich gesetzeswidrig; ob mit einer solchen Anordnung die Rechtslage anders zu beurteilen ist, bedürfte genauerer Prüfung. Die aber ist gegenwärtig gar nicht möglich. Wir wissen nämlich bis heute nicht genau, ob eine solche Anordnung tatsächlich ergangen ist, in welcher Form und welchen genauen Inhalt sie hat. Wer ist, wenn es sie denn geben sollte, ihr Adressat, für welchen Personenkreis gilt sie und wie lange?" Die FAZ fährt fort: "Die Bürger darüber in Unkenntnis zu lassen, ist angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Tragweite dieser Anordnung ebenso unbegreiflich wie demokratisch unerträglich. Das Bundesinnenministerium behandelt die Frage wie eine geheime Kommandosache und hält die Bürger hin, die einen auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Auskunftsanspruch geltend machen. " Und weiter: "Auf Abgeordnete der Koalitionsfraktionen soll, wie aus der Unionsfraktion zu hören ist, massiver politischer Druck ausgeübt worden sein, damit sie es unterlassen, diesbezügliche Anfragen an die Bundesregierung zu richten; solche Anfragen, so wurde zudem signalisiert, würden in der Sache ohnehin nicht beantwortet."
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