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Tagebuch

Abriss des militärischen Horchpostens Stöberhai

Von Dr. Wolfgang Wegener, Kreistagsabgeordneter Landkreis Osterode am Harz (FWG)

Stöberhai-Turm muss und wird fallen

Mit großem Erstaunen habe ich einen Leserbrief der FDP-Kreisvorsitzenden M. zur Kenntnis genommen, in dem sie in die Verfügung des Landkreises zum Abriss des Stöberhai-Turmes als "zwar paragraphentreu", nach "gesundem Menschenverstand" aber in "schlechten finanziellen Zeiten" als "absolut unsinnig" bezeichnet. Das Geld sei besser in die Umgehung Barbis investiert.

Unterlassener Abriss könnte teuer zu stehen kommen

Offenbar glaubt Frau M., dass der Bund die 6,9 Mio. Euro, die ihm erspart blieben, dann anderweitig im Landkreis investiert. Das Gegenteil ist der Fall: Ein unterlassener Abriss könnte uns sehr teuer zu stehen kommen.

Der Bund hat es unterlassen, so das Verwaltungsgericht Göttingen, nach Ende des kalten Krieges ein Konversionsgesetz zu erlassen, dass in Ausnahme des §35 Baugesetzbuch den Erhalt derartiger Anlagen des kalten Krieges ermögliche. Ohne derartiges Sonderrecht müsse aufgrund des hervorragenden Bedürfnisses nach Freihaltung des Außenbereiches von funktionsfremden Bauten das allgemeine Baurecht Geltung beanspruchen. Danach ist der Abriss des Stöberhais unabhängig von den Kosten zwingend geboten, solange es keine rechtskonforme Nachnutzung gibt.

"Angebote"

Das einzige prüffähige und einigermaßen realistische Angebot, die Nutzung des Turmes als Antennenträger für UMTS- und GSM Antennen geht nur von der Erhaltung des Beton-Turmes (ersparte Abrisskosten: 2,6 Mio. Euro) aus (selbst bei diesem Angebot würden also Abrisskosten von rund 4,3 Mio. Euro anfallen). Dazu kämen laufende Unterhaltungskosten für den Turm selbst (Stahlbeton, PVC-Elemente). Auf einen Wasserturm in Betrieb eine Mobilfunkantenne aufzusatteln: Gut. Aber auf eine riesige, funktionslose Ruine mit großen Unterhaltungskosten?

Sicherlich könnte man den Investor mal machen lassen, der (insolvenzunfähige) Bund wäre den Stöberhai dann los. Was ist aber, wenn der Private dann insolvent wird? Dann hätte der Landkreis, der sich bekanntlich an die Gesetze zu halten hat, ein Multi-Millionen Euro Problem, und dazu sage ich als Kreistagsabgeordneter, der die Interessen der Kreiseinwohner zu vertreten hat und der den Kreishaushalt kennt: Nein und abermals Nein!

Sinn der Bauaufsicht

Im Übrigen: Wenn der Landkreis jetzt auf die Abrissverfügung verzichten würde (was unter den gegebenen Umständen rechtswidrig wäre), dann würden letztlich - gleiches Recht für alle - auch private Bauten ohne rechtskonforme Nutzung und ausgediente Anlagen im Wald stehen bleiben, dann könnte man die Bauaufsicht abschaffen. Und irgendwann würde sich dann die Frage: Wen stört das schon? kräftig relativieren.

Sicherlich muss man die Abrisskosten auch ins Verhältnis zu dem militärischen Wert setzen, den die jahrzehntelange Nutzung dieser Anlage hatte. So werden etwa für die deutschen Kernkraftwerke während des Betriebes Rückstellungen gebildet für deren Beseitigung nach Auslaufen der Nutzung, insgesamt viele Milliarden Euro. Oder will Frau M. die Kernkraftwerke dann auch stehen lassen, um Kindergärten oder Umgehungsstraßen zu bauen?

Stöberhai - Turm kein Denkmal

Ich fand es gut und richtig, dass nach Ende des kalten Krieges die widerlichen Grenzanlagen abgebaut wurden (wenn auch mit hohem Kostenaufwand), und ich sehe den wasserturmähnlichen Profanbau Stöberhai nicht als Denkmal an. Die über diesen Turm und seine Kollegen auf der anderen Seite gewonnenen Informationen haben die Gegner im kalten Krieg letztlich davon überzeugt, dass niemand wirklich Krieg wollte, diese Türme haben ihren Beitrag zum Frieden geleistet. Freuen wir uns darüber, dass wir nun derartige Türme mitten in Deutschland nicht mehr benötigen und dass uns hoffentlich ein Jahrhundert des Friedens bevorsteht. Dafür war der Preis für den Bau und den Abriss dieses Turmes nicht zu hoch.

Zur Diskussion im Landkreis Osterode

Bereits am frühen Morgen des 27. Juli, dem Tag des Erscheinens dieses Leserbriefs in der Lokalpresse, erreichte mich ein Fax, welches deutlich machte, dass ich hier offenbar in ein Wespennest gestochen hatte. "Heute Zeitung gelesen! Leserbrief!" teilte mir dort eine Parteifreundin aus dem populistischen Lager der FWG Osterode mit. Dies war geballte Kritik, wie sich nach Rücksprache (erwartungsgemäß) herausstellte. Es folgten diverse, ausnahmslos kritische Leserbriefe, auch mit Alternativvorschlägen. Unter der Überschrift: "Den Turm der Natur überlassen" bezog sich ein Schreiber am 29. Juli auf die von ihm vermutete Mehrheitsmeinung: "Nach einigen Jahren zigfacher Leserbriefe, die sich alle gegen den Abriss aussprachen" sei nun "der erste Leserbrief" erschienen, "dessen Schreiber für den Abriss ist". Würde das Geld für den Abriss zur Verfügung verwendet, stünde es "für Sinnvolleres nicht zur Verfügung". "Lasst den Turm stehen! Er hat später großen Erinnerungswert - für alle Europäer".

Schon die Überschrift: "Turm muss und wird fallen" sei bezeichnend, so ein anderer Leser am 30. Juli: "So hören wir es schon seit Jahren. Der mündige Bürger hat gefälligst zu schweigen und seine Steuern und Abgaben zu zahlen. Wo es lang geht, bestimmen die politischen Parteien". Nach den Maßstäben in diesem Leserbrief müsse man dann noch viel mehr abreißen, z. B. das ausgediente Krankenhaus in Osterode. Es folgten diverse andere Stellungnahmen, auch auf Parteiversammlungen, auch persönliche Mitteilungen. So hätten die Ehemaligen des Fernmeldesektors C den Turm gern als Erinnerung stehenlassen, in Wieda wurde touristisches Potential vermutet, der Turm sei als Wahrzeichen der Gemeinde zu erhalten. Am 30. Juli teilte laut einem Bericht der Lokalpresse der CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises bei einer Zusammenkunft mit Christian Wulff mit, dass nach einer Koordinierungssitzung mit anderen CDU-Kandidaten für Bundestag und Landtag aus der Region das Ziel ausgegeben worden sei: "Keinen Euro für den Abriss des Stöberhai-Turms". Die Kreisvorsitzende der CDU wurde im gleichen Artikel mit der Aussage zitiert, "die Leute hier gingen nicht mehr zur Wahl, wenn 6 Millionen Euro für einen Turmabriss ausgegeben werden, während für andere wichtige Vorhaben in der Region das Geld fehle".

Ach ja, und ein Gedanke durfte auch nicht fehlen: "Wer hat etwas vom Abriss?" fragte ein Leserbriefschreiber am 1. August. "Wir leben ja heute in einer Zeit, in der wir jeden Tag aus der Zeitung erfahren, welcher Schmiergeld-Politiker oder Schmiergeld-Beamter sich für irgendwelche Sachen stark gemacht haben, um hiermit sein Privat-Konto auszupolstern". Ob hier wirklich nur Abrissfirmen profitieren würden, oder ob nicht doch "Schmiergeld schwarz oder als Beraterhonorar in die Westentasche" fließen würde? (Bemerkenswert ist nicht, so etwas zu schreiben. Bemerkenswert ist, so etwas zu veröffentlichen: Der betreffende Beamte und der Politiker waren so eindeutig öffentlich positioniert, dass man genausogut die Namen hätte schreiben können.)

Am 2. August 2002 schließlich bezweifelte der Kreis in der Lokalpresse die Höhe der Abrisskosten. "Für den Landkreis Osterode am Harz stellt sich die Frage, ob die Abrisskosten nicht vielleicht bewusst etwas "großzügig" und damit abschreckend berechnet worden sind", so der Erste Kreisrat Gero Geißlreiter. So "habe die Kostenschätzung des "Staatlichen Baumanagements Harz" vom 31. Juli 2001 für den Stöberhai-Turm auf rund 2,6 Mio. Euro gelautet", für den Abriss des "Schalke"-Turms von vergleichbarer baulicher Struktur seien laut Braunschweiger Zeitung vom 10. Januar 2002 vom Bundesvermögensamt Kosten in Höhe von "mit mehr als einer Million Euro" genannt worden.

Die Sprengung

Am 13. Juli 2004 teilte die Pressestelle des Landkreises Osterode am Harz mit, dass die Bundesvermögensverwaltung das Staatliche Baumanagement Harz des Landes Niedersachsen beauftragt hat, den Abriss des Horchpostens Stöberhai zu projektieren und durchzuführen. Am 23. September 2005, 14 Uhr 40 wurde der Turm gesprengt. Die Presse berichtete von jährlichen Unterhaltungskosten von 500 000 Euro, welche die Bundeswehr nach der Wiedervereinigung habe aufbringen müssen. Die Kosten für die Beseitigung des Turms betrugen "rund eine Million Euro", so die WELT.

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