Neufassung der Satzung über die Benutzung der Kindertagesstätten
Dr. Wolfgang Wegener (FWG) im Finanzausschuss der Stadt Osterode am Harz (Redemanuskript)
Mehr Gerechtigkeit - weniger Bürokratie
Anrede,
Laut Vorlage ist die Neuregelung der Kindergartengebühren aus mehreren Gründen erforderlich, u. a., da
bisher für unterschiedliche Leistungen in den städt. Kindergärten gleiche Beträge erhoben werden. So kostet
z. B. der Beitrag im KiGa Schwiegershausen bei 5 Stunden Öffnungszeit genauso viel wie im KiGa Fuchshalle
bei 6 Stunden Öffnungszeit, die Betreuungstunde kostet nachmittags 12:30 - 14 Uhr 20 DM pro Stunde,
vormittags im KiGa Dorste 32 DM pro Stunde, vormittags im KiGa Fuchshalle 27,83 DM pro Stunde im
Höchstbeitrag. Ziel der Neufassung: Es wird für alle Öffnungszeiten der gleiche Berechnungssatz
zugrundegelegt, das Verfahren gerechter gemacht.
Selbsteinstufung
Ein zweites wesentliches Ziel ist der Abbau von Bürokratie. Die Eltern ermitteln ihr
Haushaltseinkommen selbst und teilen es - ohne Anfügung von Belegen - dem Kindergarten mit.
Grundsätzlich brauchen die Eltern also keine Einkommensbelege vorlegen, das ist für die FWG-Fraktion auch
von Bedeutung: Der Regelfall ist Vertrauen zu den Einwohnern, nicht Misstrauen. Die Eltern müssen sich
allerdings mit einer Prüfung ihrer Angaben einverstanden erklären, die für einen geringen Prozentsatz der
"Erklärungen zur Selbsteinstufung" auch erfolgt.Wir erwarten von der Verwaltung, dass dieser
Prozentsatz so gering wie möglich gehalten wird. Das hier gewählte Verfahren ist von grundsätzlicher
Bedeutung, denn dieses Land leidet an einer viel zu hohen Regulierungsdichte und vielfach viel zu
komplizierten Verfahrensabläufen im staatlichen Bereich.
Steuerklärung in USA ebenfalls ohne Belege
Ich habe einmal eine Steuererklärung in den
Vereinigten Staaten gemacht. Diese bestand aus 4 DIN A4 Seiten, man rechnete selbst aus, wie viel Geld
man zurückbekam bzw. nachzahlen musste. Musste man nachzahlen, legte man einen Scheck bei, bekam
man Geld zurück, erfolgte dies innerhalb von 6 Wochen - andernfalls zahlte der Staat Verzugszinsen.
Eingereicht wurde ohne Belege an ein Rechenzentrum in einem Nachbarstaat (welches vermutlich für
mehrere Staaten zuständig war), ein kleiner Prozentsatz der Erklärungen wurde überprüft (die Belege
waren 5 Jahre aufzubewahren), wer betrogen hatte, für den wurde es tragisch. In Deutschland dagegen hat
in der Regel jeder Landkreis sein Finanzamt, der Antrag auf Lohnsteuererstattung dauert in der Regel länger
als 6 Wochen, die weitaus meisten Einwohner verstehen nicht, warum sie wie viel zurückbekommen. Das
amerikanische System ist wesentlich billiger, durchsichtiger und schneller als das deutsche. In diese Richtung
zielt der Osteroder Ansatz bei den KiGa -Gebühren. Das ist für die FWG-Fraktion vorbildhaft.
Offensiv Bürger informieren
Die FWG-Fraktion ist mehrfach und teilweise überaus kritisch angesprochen worden - was unserer
Auffassung nach daran lag, das den Eltern offenbar gar nicht bewusst war, was auf sie zukommt. Wir regen
daher an, die Vorlage nicht nur der Presse zu übergeben, sondern auch im Internet zu veröffentlichen, und
zwar unmittelbar nach der abschließenden Beschlussfassung. Als Beispiel wählen wir eine Familie mit 4
Personen, die ein Kind in der Vormittagsgruppe hat. Bisher wurde ab 2200 Mark Nettoeinkommen abzüglich
Werbekostenpauschale (200 DM/Monat) bis 3000 Mark 120 Mark gezahlt, jetzt wird bis 3248 gar nichts mehr
gezahlt. Von 3000 bis 4000 Mark Netto-Einkommen wurden bisher 145 Mark gezahlt, nach der neuen
Satzung werden von 3248 - 3736 Mark 132 Mark gezahlt, bis 4225 Mark dann ebenfalls 145 Mark. Alte
Satzung oberhalb 4000 Mark Vormittagsgruppe 160 Mark, neue Satzung 4226-4714 Mark 158 Mark, von
4715-5203 Mark 180 Mark, oberhalb davon 202 Mark. An diesem Beispiel wird deutlich: Unten wird es billiger,
oben wird es teurer, die Schwankungen halten sich aber in diesem Beispiel im Rahmen. Der mit Abstand
höchste Gebührensprung ist folgender: 4 Personen, Haushaltsnettoeinkommen oberhalb 5204 Mark,
Ganztags-Gruppe. Bisher: 250 Mark, jetzt 382 Mark im Monat.
Ziel der vorliegenden Satzung ist es unserer Auffassung nach nicht, die Erlössituation der Stadt zu
verbessern, sondern es soll mehr Gerechtigkeit geschaffen werden bei weniger Bürokratie. Eigentlich ist
das ein Widerspruch, möglicherweise ist der Verwaltung hier aber doch ein Kunststück gelungen.
FWG fordert Gebührenfreiheit für Kindergärten
Gestatten Sie mir zum Schluss ein allgemeines Wort zur Kindergarten-Thematik. Die
FWG-Ratsfraktion misst den Kindergärten überragende gesamtgesellschaftliche Bedeutung zu.
Kindergärten sind keine Aufbewahrungsanstalten, vielmehr wird hier in Gruppen, die die gesamte Gesellschaft
abbilden, unter fachkundiger Anleitung eine wesentlicher, prägender Lebensabschnitt gestaltet, z. B. auch
Konfliktbewältigung erlernt, das Auskommen mit anderen geübt, eventuelle Entwicklungsdefizite frühzeitig
erkannt usw. Kindergärten sollten daher ebenso wie die Schulen vollständig vom Staat und damit von
allen Einwohnern und Unternehmen über ihre Steuerkraft finanziert werden, das wäre die gerechteste
Lösung. Diese Kosten müssten allerdings von Bund oder Land übernommen werden, die
Kommunen wären damit überfordert. Nach der Jahresrechnung 1998 kosteten die 7 städtischen Kindergärten
3,2 Mio. Mark. Im Durchschnitt kostete ein Kindergarten 448 TDM, die Eltern zahlten davon 109 TDM
entsprechend 24%. Hätte die Stadt 1998 in ihren städtischen Kindergärten (zwei kirchliche kommen jetzt
noch dazu) die Elternbeiträge übernommen, hätte dies die Stadt mit zusätzlich 764 TDM jährlich belastet. Das
beurteilen wir als unfinanzierbar. Die jetzt vorgeschlagene Lösung ist unter den gegebenen Umständen die
gerechteste, wir stimmen ihr zu .
Da das System neuartig ist - 6 statt 3 Gebührenstufen, die auch anders gestaltet sind - und da der Stadt
die Einkommensverteilung der Eltern unbekannt ist, ist nicht genau vorhersehbar, wie sich nun die
Erlössituation der Stadt in diesem Bereich entwickelt. Wir erwarten darüber einen Bericht. Sollten sich die
Gesamterlöse drastisch nach unten oder nach oben bewegen, sehen wir möglicherweise sogar kurzfristig Handlungsbedarf.
Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für
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