Dr. Wolfgang Wegener (FWG) im Kreistag (Redemanuskript)
Mahnende Worte an Bund und Land
Anrede,
Nach einem ausgeglichenen Haushalt 2001 sieht der Etatentwurf 2002
bei Ausgaben von 89,2 Mio. Euro ein Defizit von 1,9 Mio. Euro vor. Der Rücklage werden zusätzlich zur
Krankenhausrückzahlung 1 Mio. Euro entnommen. Das strukturelle Defizit beträgt damit 2,9 Mio. Euro,
und ohne die vorgeschlagene Erhöhung der Kreisumlage um 1,2 Punkte, die noch nicht einmal die dauerhaft zu
finanzierenden neu übertragenen Aufgaben z.B. im Verbraucherschutz finanziert, betrüge es sogar 3,5 Mio.
Euro. Nachdem bereits im Haushalt 2001 der Rücklage 1 Mio. Euro entnommen wurden, um die
Kreisumlage konstant zu halten, ist die Rücklage nun bis auf den Mindestbestand leer. Ich möchte nicht
begründen, warum ich einem solchen Haushalt zustimmen werde, ich möchte lieber begründen, warum eine
Enthaltung und eine Ablehnung auszuschließen sind.
Enthaltung scheidet aus
Niemand von uns kann Informationsdefizite geltend machen. Da der erste Haushalt jeder
Wahlperiode in sämtlichen Fachausschüssen vorberaten wird, hatten insbesondere die 13 neuen Kollegen
(31%) gute Gelegenheit, sich einzuarbeiten. Hin und her gerissen sollte auch niemand sein. Mag sein, dass
hier und da noch zwei Herzen gleichberechtigt in der Brust schlagen, eins für die Gemeinde, eins für den
Landkreis, aber selbst beim Spitzenreiter CDU mit 7 neuen Kollegen ist die satte Mehrheit von 56%
mehrwahlperiodig in Kreistagsarbeit sozialisiert. Für die FWG - 0 neue Abgeordnete gilt dies ohnehin zu
100%. Eine Enthaltung schließe ich aus.
Ablehnung scheidet aus
Eine
Ablehnung sollte selbstverständlich von machbaren Alternativvorschlägen begleitet sein. Da bleiben ja nur
zwei: Einnahmen erhöhen oder Ausgaben senken.
Einnahmenerhöhung scheidet
aus
Aus eigener Kraft lassen sich nur drei Steuereinnahmen bzw.Umlagen erhöhen, nämlich die
Jagdsteuer (Ansatz: 43 000 Euro), die Gewerbesteuer im gemeindefreien Gebiet (Ansatz 17 000 Euro) und
die Kreisumlage (Ansatz: ca. 23,7 Mio. Euro). Eine Erhöhung der Jagdsteuer über den derzeit geltenden
Landesdurchschnittssatz hinaus wie bei der letzten Konsolidierung ist nicht vorgesehen. Auch wenn es nur
ein kleiner Akzent in diesem Haushalt ist, es ist ein Akzent. Damit werden die vielfältigen Beiträge der
Jägerschaft für die Allgemeinheit gewürdigt, insbesondere aber auch berücksichtigt, dass die Jagdpächter
dem Landkreis Ausgaben ersparen, indem sie Fallwild an den Kreisstraßen bergen. Der Hebesatz der
Gewerbesteuer wird um 45 Prozentpunkte auf den Gemeindedurchschnitt von 320% erhöht, die Einnahmen
werden sich gleichwohl halbieren. Aufgrund des Volumens dieser beiden Einnahmemöglichkeiten würde der
Versuch, hier einen nennenswerten Beitrag zum Abbau des Defizits erwirtschaften zu wollen, zu einem
völligen Wegbrechen dieser Steuern führen. Flapsig formuliert: Wir würden von Wildschweinen überrannt, wir
wären alle Lonauer.
Bleibt die Kreisumlage. Ein Ausgleich des Haushaltes über die Kreisumlage
würde eine Anhebung des Kreisumlagehebesatzes um 4,8 Punkte über das vorgeschlagene Maß von 1,2
Punkten hinaus bedeuten. Das ließe sich begründen, schließlich schreibt §15 Abs. 1 NFAG den
Ausgleich vor. Gutem demokratischen Brauch entsprechend müsste ein derartige Vorschlag von der
Opposition kommen, die ja für Alternativen zuständig ist. Allerdings wären dann zahlreiche
Gemeindehaushalte so ruiniert, dass man sich nicht einmal mehr Ziele setzen könnte, gute Zielvorgabe sollen
bekanntlich zwar ambitioniert, aber doch noch erreichbar sein.Gleichwohl liegt die vorgeschlagene
Erhöhung am absolut untersten vertretbaren Ende.Wenn ich diese Bedenken jetzt zurückstelle,
dann geschieht dies insbesondere wegen des guten Ergebnisses der Harzstrukturkonferenz. Der Landkreis hat
sich auch bei der letzten Konsolidierung selbst eine Aufgabe gestellt und gelöst und sich dadurch das
Ansehen sowohl bei den Landesbehörden als auch bei den Gemeinden erworben, um glaubwürdig eine
partnerschaftlich strenge Kommunalaufsicht führen zu können. Sollte sich die Konsolidierung
als unmöglich herausstellen, muss aber über eine Anhebung der KU nachgedacht werden. Die Gemeinden
können immerhin noch auf Bedarfszuweisungen hoffen, der Landkreis nicht, das haben wir nach einem
entsprechenden Antrag aus dem Jahr 1997 schriftlich.
Ausgabensenkung in nennenswertem Umfang scheidet aus
Zur Senkung der Ausgaben fällt mir
über die bereits angedachten Überlegungen z. B. zur Aufgabenkooperation in bestimmten Bereichen
mit anderen Gebietskörperschaften nicht viel Konkretes ein. Eine pauschale Zielvorgabe über die im HK
von der Verwaltung selbst zugesagte ließe sich nur begründen, wenn dargelegt würde, dass der Landkreis in
der Vergangenheit sozusagen aus dem vollen gewirtschaftet hätte. Ich rede lieber über die
Zukunft, sehe mich aber jetzt doch veranlasst, kurz über die letzte Wahlperiode zu sprechen. Sie begann mit
einem Defizit im Etatentwurf 1997 von 4, 2 Mio.Euro, bereits der Etat 1999 war im Abschluss wieder
ausgeglichen. Von Ende 1996 bis Ende 2001 wurden die Schulden des Landkreises von 69 Mio. Euro um
31% auf 47.6 Mio. Euro abgebaut (also um deutlich mehr als der Verkauf der Krankenhäuser gebracht hat),
der Schuldendienst sank von 4,6 Mio. Euro auf 2,8 Mio. Euro (und zwar jährlich!), dabei wurde der Anteil aus
dem Krankenhausverkauf komplett an die Gemeinden weitergegeben, diente also nicht der Konsolidierung,
die Ausgaben sanken und stiegen nicht etwa, die Kreisumlage sank von 51% auf 46,2%, in der Rücklage
waren Ende 1996 0,9 Mio. Euro, Ende 2001 1,9 Mio. Euro (ohne den durchlaufenden Posten
Krankenhausrückzahlung). Vergleichen Sie dies bitte einmal mit Ihrem Gemeindehaushalt. Es lässt sich
einfach nicht begründen, dass in diesem Haushalt noch Luft ist. Der Haushalt 2001 des Landkreises
Osterode ist abgemagert bis aufs Skelett, so die Genehmigungsbehörde Bezirksregierung.
Zustimmung alternativlos
Ich verbinde
meine Zustimmung zu diesem Haushalt mit mahnenden Worten an Bund und Land. Die Hoffnung, dass
dieser Kreistag, wieder nennenswert gestalten können wird, wird m. E. ausschließlich von außen, durch
Bund und Land, zunächst einmal zunichte gemacht.. Den Schuldenstand Ende 2001, nämlich 47,6 Mio. Euro
sollte man sich z. B. ebenso gut merken wie die Abfallgebühren für die 80 l Tonne bei Regelabholung,
nämlich 109 Euro jährlich. Trotz europaweit (weltweit sowieso) einmalig hohen ökologischen Standards
unserer Kreismülldeponie werden wir durch den Bund zu erheblichen weiteren Investitionen gezwungen. Der
Rückgang der Gewerbemüllmengen aufgrund von Billigkippen anderswo wirkt sich bereits seit 1997 im
Haushalt aus. Die Rücknahme der KiTa-Regulierung durch das Land ohne Volksabstimmung wird zu einer
Wiedereinführung von bereits abgeschaffter Bürokratie führen, finanzschwache Landkreise wie der
Landkreis Osterode werden durch Herausnahme der Mittel aus dem Finanzausgleich überproportional
belastet. Ich habe im Jugendhilfeausschuss angeregt, dass im Rahmen der Jugendhilfeplanung
beweissichernd dokumentiert wird, dass die standardlose Zeit keineswegs von den Gemeinden im
Landkreis genutzt wurde, um auf Kosten der Qualität einzusparen. Die Kindergarteneltern werden nichts
gewinnen durch diesen Salto rückwärts, sie werden aber als Steuerzahler verlieren. Sie werden noch nicht
einmal mehr gefragt werden, das Volksbegehren ist ja abgesagt worden. Diese Liste ließe sich fortsetzen.
Sollten sich die Befürchtungen im Spiegel hinsichtlich der Auswirkungen der Steuerreform bewahrheiten
- danach rutscht allein die Körperschaftssteuer von 24 Mrd. Euro im Jahr 2000 im Jahr 2001 ins Minus
(Rückzahlung) - dann werden wir ohnehin in einem anderen Land leben. Dann können wir im Grunde
nach Haus gehen und Berlin macht hier das Licht aus
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