Dr. Wolfgang Wegener (FWG) im Kreistag
(Redemanuskript)
Äußerste Not
Anrede,
im Vergleich zu dem ohnehin schon mit 1,1 Mio. Euro
defizitären Kreishaushalt 2002 werden die Schlüsselzuweisungen um 2,2 Mio. Euro sinken, und insbesondere
auch aufgrund teilweise erheblicher Rückgänge sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei den
Schlüsselzuweisungen der Gemeinden würde die Kreisumlage bei unverändertem Hebesatz ebenfalls
erheblich sinken.
Ich habe bereits im letzten Jahr die Bezirksregierung mit dem Satz zitiert, der
Haushalt des Landkreises Osterode sei abgemagert bis aufs Skelett, der Bericht über die überörtliche
Prüfung bestätigt diesen Eindruck. Spielraum bei Senkung von Ausgabeansätzen sehe ich keinen.
Es geht um zwei zentrale Fragen, nämlich um das Ausmaß der Erhöhung der Kreisumlage
und um den Verwaltungsvorschlag, unterschiedliche Hebesätze für einzelne Einnahmearten festzusetzen.
Gespaltene Kreisumlage in Notzeiten ein Gebot der Solidarität
Ich
beginne mit der Frage des gespaltenen Kreisumlagehebesatzes, nämlich 54,5% auf die Steuerkraftzahlen und
41,7 % auf die Schlüsselzuweisungen, der die steuerstarken Gemeinden benachteiligt und die schwachen
Gemeinden begünstigt. Im Ergebnis wird die Stadt Osterode pro Einwohner nicht 328 Euro Kreisumlage wie
bei einem einheitlichen Hebesatz bezahlen, sondern 8 Euro mehr, während im anderen Extrem die Stadt Bad
Sachsa nicht 225 Euro Kreisumlage pro Einwohner zahlt, sondern 14 Euro weniger. Herzberg und Osterode
werden einwohnerbezogen 3% mehr Kreisumlage zahlen müssen als bei einheitlichem Hebesatz, alle anderen
Städte und Samtgemeinden weniger, in Bad Sachsa z. B. einwohnerbezogen sogar 6% weniger.
Osterode
und Herzberg liegen bei der Steuerkraft deutlich über dem Durchschnitt und haben schon immer auch bei
einheitlichem Kreisumlagehebesatz pro Einwohner deutlich mehr Kreisumlage gezahlt als andere. Dies
entspricht der Systematik im Steuerrecht, dass nämlich stärkere Schultern mehr tragen können und sollen als
schwächere.
Die hohe Steuerkraft in Osterode und Herzberg ist sicherlich auch mit Folge von
Landkreis-Entscheidungen. Ich finde es gut und richtig und im Interesse aller Kreiseinwohner, bei den
Gewerbegebieten deutlich erkennbare und attraktive Schwerpunkte zu setzen, und dafür auch Kreismittel
einzusetzen. Ein Arbeitsplatz, der in Osterode oder Herzberg geschaffen bzw. erhalten bleibt, nutzt auch den
Hattorfern, Bad Grundern und Walkenriedern. Man vergleiche z. B. den Zustand des Bereiches Leege in
Osterode im Jahr 1996 mit heute, 1 Mio. Euro Miete werden aus Kreismitteln für die BBS II dort gezahlt, der
Rest wurde durch die Kreiswohnbau erschlossen - das ist ein enormer Standortvorteil für Osterode mit
Auswirkungen auf die Osteroder Steuerkraft.. Ein anderes Beispiel ist die Zentralisierung des
Krankenhauswesens in Herzberg als Folge einer Landkreisentscheidung. Ich trete dafür ein, die vorhandenen
Schwerpunkte im Interesse aller Kreiseinwohner auch mit Kreismitteln weiter auszubauen und zu stärken,
halte es dann aber auch für gerechtfertigt, dass jetzt, wo wirklich Not am Mann ist, Osterode und Herzberg
einwohnerbezogen mit 3% mehr bei der Kreisumlage ein wenig mehr tun als bisher üblich. Dass sich meine
Begeisterung als Osteroder in engen Grenzen hält, dürfte nachvollziehbar sein.
Nach
Beendigung der Notzeit über Höhe der Spreizung neu nachdenken
Das Verfahren
zur Berechnung
der Spreizung allerdings halte ich unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten für willkürlich. Die Höhe der
Kreisumlage auf die Steuerkraft wurde nach dem höchsten gewogenen Umlagesatz im Land festgesetzt, der
Hebesatz auf die Schlüsselzuweisungen ergibt sich aus der Forderung, dass als Ergebnis ein gewogener
"Böttcherscher" Hebesatz von 52.2 % folgt, so die Verwaltung im Vorbericht. Im Ergebnis ist die Spreizung
deutlich stärker als irgendwo sonst im Land. Weder der höchste Umlagesatz im Regierungsbezirk noch der
Bezug auf die Verhältnisse vor 1998 haben irgendetwas mit der aktuellen lokalen Situation zu tun. Sollte die
Verwaltung beabsichtigen, dieses Verfahren im nächsten Jahr zu wiederholen, muss über das Ausmaß der
Spreizung nachgedacht werden, und sollte die extreme Notsituation wieder beseitigt sein, kann man auch über
die Rückkehr zu einheitlichen Hebesätzen nachdenken. Aufgrund der außerordentlich maßvollen
Ausgleichswirkung in diesem Jahr - einwohnerbezogen wie festgestellt lediglich 3% mehr in Osterode und
Herzberg - stimme ich dem Ergebnis jetzt allerdings zu; ich halte dies für ein Gebot der Solidarität, in
Bad Sachsa könnte es ja sogar darum gehen, ob die Kindergärten noch ausreichend geheizt werden, derart
gravierend sind die Probleme in Osterode und Herzberg wohl noch nicht.
Kreisumlage muss Existenz des Landkreises sicherstellen
Ungleich schwerer fällt mir die
Zustimmung zur Höhe der Kreisumlage insgesamt. Nach 1,2 Mio. Euro Defizit in diesem Jahr ist nun ein
Defizit von 4,8 Mio. Euro für das nächste Jahr veranschlagt, um lediglich 159 Tausend Euro wird die
Kreisumlage erhöht. Bis auf die Kreisumlage und die Hoffnung auf erhöhte Steuereinnahmen bzw. wieder
anspringende Konjunktur haben wir keinerlei Refinanzierungsmöglichkeiten. Wer noch nicht einmal diese
Kreisumlage für berechtigt hält, der gefährdet den Landkreis. Sollte unser Landkreis in einer Region
Südniedersachsen aufgehen, würden Entscheidungen über wirtschaftliche Schwerpunkte nicht mehr bei uns
fallen, sondern anderswo. Und dann würde es für die Stadt Osterode und die Stadt Herzberg nicht mehr um
Hilfe für Bad Sachsa gehen, sondern um Hilfe für Großhaushalte, die in ganz anderer Größenordnung ruiniert
sind. Ich nehme an, dann hätte der Stadtdirektor von Osterode wirklich Grund zum Jammern. Wenn
ich diese Bedenken bezüglich der Kreisumlage jetzt (wieder einmal) zurückstelle, dann deswegen, weil auch
ich sehe, dass mehr für die Gemeinden einfach nicht mehr leistbar ist.
Massive
Aufgabenkritik von Bund und Land gefordert
Gestatten Sie mir eine Anmerkung zum Schluss. Für
etwas skurril an der gegenwärtigen Diskussion - Stichwort: Kreis plündert Gemeinden aus - halte ich, dass der
Eindruck erweckt wird, die Probleme hätten ihren Ursprung im Landkreis und könnten auch hier gelöst
werden. Tatsächlich werden die Probleme von Bund und Land verursacht. Damit meine ich keineswegs nur
den Wegfall von 23 Mrd. Euro Körperschaftssteuer, damit plädiere ich auch nicht für immer mehr und immer
höhere Steuern. Was wirklich dringend notwendig ist, ist massive staatliche Aufgabenkritik. Ich zitiere den
Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes im heutigen Harzkurier mit der Aussage: "In so schwierigen
Zeiten muss die Frage erlaubt sein: Braucht Deutschland wirklich 16 Bundesländer, braucht Berlin so viele
Bezirke?" Die Liste wäre beliebig fortsetzbar: Braucht der Harz zwei aneinandergrenzende Nationalparke,
brauchen wir immer weitere Altholzverordnungen? Die Hoffnung, meine Damen und Herren, stirbt
bekanntlich zuletzt.
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