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Gipskarst

Regionales Raumordnungsprogramm 1999 des Landkreises Osterode

Dr. Wolfgang Wegener im Kreistag (Redemanuskript)

Osteroder Gipskarstlandschaft kurz vor der Vernichtung

Anrede,

Für mich ist die heutige Beschlussfassung zum Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) eine der spannendsten und wichtigsten Entscheidungen innerhalb meiner gut zweijährigen Mitgliedschaft im Kreistag (KT). Es geht - mehr als sonst - um die Werte in dieser Gesellschaft, es geht - mehr als sonst - um die Kontrolle und Überwachung der Verwaltungen, es geht - mehr als sonst - um den Ausgleich widerstreitender Interessen.

Dieser Tagesordnungspunkt (TOP) ist auch aus zwei weiteren Gründen ungewöhnlich. Üblicherweise wirken sich Entscheidungen im KT unmittelbar auf die Einwohner aus. Das ist bei diesem TOP nicht der Fall, denn die Grundsätze und Ziele der Raumordnung haben dem Einzelnen gegenüber keine Rechtswirkung, unmittelbare Geltung erlangen sie nur für öffentliche Planungsträger und Genehmigungsbehörden. Das wird den Einwohnern das Verständnis der heutigen Diskussion nicht gerade erleichtern, und das ist schade, denn die Auswirkungen der Raumordnung insbesondere auf die Gipskarstlandschaft bei Osterode - darauf werde ich gleich eingehen - sind erheblich. Dieser TOP ist noch aus einem anderen Grund ungewöhnlich. Üblicherweise lassen sich Fehlentscheidungen im KT mit Geld - Steuergeld natürlich - wieder in Ordnung bringen. Fehler dagegen, die uns beim RROP unterlaufen, können zum unwiederbringlichen Verlust wertvollster Landschaftsbestandteile führen, lassen sich als nicht wieder reparieren. Derartige Fehler können auch zum Verlust von Arbeitsplätzen führen, auch das läßt sich heutzutage kaum wieder rückgängig machen. Wir müssen daher besonders sorgfältig und gründlich argumentieren, bevor entschieden wird.

Unser Spielraum ist begrenzt. Das Landes-Raumordnungsprogramm ( LROP) ist integraler Bestandteil des vorliegenden RROP, wir haben uns ebenfalls an die zeichnerische Darstellung des LROP im Maßstab 1:500 000 zu halten, für eine erneute grundsätzliche Abwägung von Zielkonflikten auf regionaler Ebene bleibt kein Raum. Die nähere Festlegung im RROP (Maßstab 1:50 000) kann jedoch dazu führen, dass sich gegenüber den aus Maßstabsgründen vergröberten Vorrangfestlegungen des LROP Änderungen der äußeren Begrenzung ergeben und Teilbereiche keine Vorrangqualität erhalten.

Der Landkreis Osterode ist in der beneidenswerten Lage, reich an Rohstoffen zu sein, es gibt Bergbautradition über Jahrhunderte. Bergbau bedeutet Rohstoffsicherung, Bergbau bedeutet Arbeitsplätze - wenn auch auf Zeit: Bergbau ist gut. Es gibt aber Plätze im Landkreis, wo es keinen Bergbau geben sollte. Insbesondere das Gipskarstgebiet bei Osterode ist reich an derartigen Plätzen. Das Hainholz, der Bloßenberg, der Lichtenstein - hier insbesondere die besonders gipskarsttypische, erdfallreiche Forstabteilung 8 (FA 8): Das sind europaweit einmalige und mit die schönsten Bestandteile unserer schönen Heimat. Diesen Reichtum gilt es zu bewahren.

Verantwortlich für die Bewahrung dieser Flächen sind nicht private Grundstückseigentümer. Die werden diese Flächen an die Gipsindustrie verpachten wollen, um damit Millionen zu verdienen - selbstverständlich mit schlechtem Gewissen. Verantwortlich für die Bewahrung dieser Flächen sind auch nicht die Geschäftsführer der Gipsindustrie: Die werden diese einmaligen Biotope zerstören, um Profit zu machen, denn Profit erwarten - zu Recht - die Eigentümer ihrer Unternehmen von ihnen. Wer das kritisiert, der möge sich fragen, wieviel Zeit und Geld er selbst denn der Allgemeinheit geschenkt hat, z.B. innerhalb des letzten Jahres. Verantwortlich für die Bewahrung dieser Flächen sind ausschließlich staatliche Stellen. Nur sie können im Rahmen eines normierten Abwägungsprozesses wertvolle Flächen für Natur und Landschaft sichern; dabei können sie sich einen umfangreichen auch raumordnerischen Instrumentariums bedienen. Gleichwohl stehen selbst europaweit einmalige und schöne Bestandteile des Gipskarstgebietes bei Osterode, wie es sie insbesondere am Bloßenberg und im Lichtenstein gibt, unmittelbar vor ihrer Vernichtung. So heißt es im Landschaftsrahmenplan: "Für Gips ist im übrigen eine Abbauleitplanung entbehrlich, da inzwischen praktisch alle oberflächennahen Gipslagerstätten (mit Ausnahme des Hainholzkomplexes) so weit im Abbau begriffen und genehmigt sind, dass eine vorausschauende Abbauleitplanung keinen Sinn ergibt". Die Geschichte des Konfliktes Gipsabbau gegen Natur und Landschaft ist die Geschichte des Unvermögens staatlicher Stellen, durch entschlossene und vorausschauende Anwendung der Gesetze diesen Reichtum unseren Nachkommen zu bewahren.

Entschlossen bis hin zu illegalen Handlungen und weit vorausschauend handelte die Gipsindustrie, die staatliche Seite dagegen fiel eher durch Nachgiebigkeit und Fehlleistungen - auch skurriler Art - auf. Das betrifft insbesondere die Vorgänge, die zum sog. Gipskompromiss (GK) von 1988 führten. 1967 hob der Regierungspräsident von Hildesheim die einstweilige Sicherstellung des Hainholzes auf, um es erst sechs Wochen später unter Schutz zustellen. Dadurch erhielt ein Unternehmen Gelegenheit, dort einen Gipsabbau ins Werk zu setzen, was später die Rechtsposition des Landes in dem entsprechenden Gerichtsverfahren wohl entscheidend schwächte. Ende 1981 kam es dann zu dem sog. Aschenhütte-Vergleich (so ein Prozessbericht) Sechs Wochen! Was auch immer Sie sich jetzt denken, es lässt sich nicht belegen. Belegt dagegen ist, dass sich diese Firma drei Monate vor diesem Vergleich an einen Fraktionsvorsitzenden des Landtages wandte mit der Bitte, bei diesem Vergleich hilfreich zu sein. Dieser stellte 6 Monate nach dem Vergleich dafür eine Rechnung in Höhe von 19 026,38 DM. Nach Meinung der Firma war dieser Vergleich aber ohne die Hilfe dieses Herrn zustande gekommen, sie wandte sich in dieser "Frage der politischen Moral" an den Landesvorsitzenden der Partei, zahlte aber schließlich doch 12 831,15 DM (so die Darstellung dieses Vorgangs im STERN 5/85).

Vereinbart wurde in diesem Vergleich (für Geldzahlungen bis zu 6 Mio. DM) die einvernehmliche Unterschutzstellung des Hainholzes. Die Firma stellte ihren mittelfristigen Rückzug aus dem Landkreis Osterode in Aussicht, da das Land ihr große Muschelkalkgipsvorkommen bei Bodenwerder nachgewiesen hatte und zusagte, bei der entsprechenden Produktionsumstellung zu helfen. Für die Übergangszeit wurde der Firma ferner der Abbau am Bloßenberg und an der Kreuzstiege zugesagt. "Allen Beteiligten war klar, dass weitere Abbaugenehmigungen im Vorharzgebiet für naturhafte Flächen grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommen", so das Land ein Jahr später in der weißen Mappe 1982. Hainholz und Lichtenstein seien in ihrer Gesamtheit, auch in Randbereichen gerettet. In den folgenden Jahren verbreiterte die Firma ihre Rohstoffbasis durch Rauchgas-Entschwefelungsanlagen (REA)-Gipse. 1986 kündigte sie an, ihre Hauptverwaltung und einen Großteil der Arbeitsplätze aus Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen zu verlagern (Begründung: Umweltschutz!). Die ihr nachgewiesenen Muschelkalkgips-Vorkommen in Niedersachsen, die im Untertage-Abbau hätten gewonnen werden müssen, ließ sie ungenutzt. Durch diese beiden, von dieser Firma zu vertretenden Maßnahmen gerieten die restlichen niedersächsischen Arbeitsplätze in große Gefahr. 1988 kann es dann zum sog. Gipskompromiss: Gegen die Löschung des Vorranggebietes für Rohstoffgewinnung im Bereich Hainholz-Beierstein-Buschwiesen-Krücker erwartete die Landesregierung auch einen Ausgleich im Bereich Lichtenstein. Bei diesem Ausgleich blieben somit die der Firma seit 1981 zusätzlich zur Verfügung stehenden REA-Gipse ebenso außer Betracht wie die Tatsache, dass sie die teurer zu erschließenden großen Muschelkalkgipsvorkommen ungenutzt ließ.

Vieles spricht dafür, dass die europaweit einmaligen Biotope z.B. am Lichtenstein nicht etwa der Rohstoffversorgung der Bevölkerung oder dem Erhalt von Arbeitsplätzen geopfert werden sollen, sondern ausschließlich der Rendite dieses Unternehmens. Ob das Unternehmen unter diesen Umständen überhaupt auf der Herausgabe der ihm 1981 am Bloßenberg zugesicherten Vorkommen bestehen kann, scheint mir fraglich zu sein. Mit welchem Recht eigentlich pocht dieses Unternehmen auf die Einhaltung des Gipskompromisses, der doch offenbar mit einer fast nötigenden Drohung zustande kam, dem offenbar ein krass fehlerhafter Abwägungsprozeß zugrunde liegt, der mir in ausformulierter Form zudem unbekannt ist. Aufgrund der Presseberichterstattung über offenbar illegale Handlung dieser Firma im Jahr 1997, auch aufgrund der geschilderten Vorgeschichte scheinen mir Zweifel an der Vertragstreue und Seriosität dieses Unternehmens erlaubt. Ich hätte ein gewisses Verständnis dafür, wenn die Geschäftsführer der Gipsindustrie insgeheim über staatliche Stellen verächtlich lachen würden. Sorgen wir heute gemeinsam dafür, dass sie wenigstens beim Landkreis Osterode nichts zu lachen haben. Ich stimme der RROP nicht nur zu, ich bedanke mich auch dafür. Allgemein gilt. Wer sich in den für Rohstoffabbau zuständigen staatlichen Stellen - aber nicht nur dort - als unfähig erweist, das Allgemeinwohl zu verfolgen, wer dumm oder wer faul ist, der möge diese staatlichen Institutionen Richtung Privatindustrie verlassen. Dort kann er nur begrenzt Schaden anrichten.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz den Verwaltungsvorschlag hervorheben, die Abbaufelder 4 und 5 am Lichtenstein für Natur und Landschaft zu sichern, und dafür einen Vorrang für Rohstoffgewinnung in der FA 8 festzusetzen mit der Maßgabe, dass dort nur die in den Feldern 4 und 5 vermutete Menge von 0,9 Mio. t abgebaut werden darf. Eine Mengenbilanz also. Davon wäre nur der weitaus kleinere Teil der FA 8 betroffen. Auch dieser Verlust ist schlimm, sehr schlimm sogar, der Verlust der Felder 4 und 5 dagegen wäre eine Katastrophe. Die Herausgabe der gesamten erdfallreichen FA 8 lehne ich strikt ab. Ich finde, wir sind es Europa und der Welt schuldig, für diese Mengenbilanz zu kämpfen. Für systemwidrig halte ich diese Mengenbilanz im RROP nicht: Schließlich ist auch der GK eine Mengenbilanz, und bei den 20 MW Windenergie, die uns abverlangt werden, handelt es sich ebenfalls um keine Flächeneinheit.

Das Bedenken des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung (NLfB) im Anhörungsverfahren vom 28. 10. 1998 ist somit zurückzuweisen. Es lautet: "Im Rahmen des GK von 1988 wurde für den Verlust der Lagerstätten am Hainholz in etwa ein Äquivalent an hochwertigem reinem Gipsgestein zugesichert. Daraus ergibt sich, dass der GK nur dann annähernd erfüllt wäre, wenn die FA 8 in den Antragsgrenzen der Firma Rigips ohne Abstriche genehmigt würde".

Ich habe in dieser Rede zum RROP natürlich keine Namen genannt, das wäre mir peinlich gewesen. Wenn der Name dieser Firma nun aber schon durch ein staatliches Amt erwähnt wird, gestatten Sie mir eine Zwischenbemerkung: Wenn Rigips seinen Nutzen aus dem Landkreis gezogen hat, wird Rigips gehen. Wir dagegen und unsere Kinder werden weiter hier leben, sofern sich das dann noch lohnt. Das Bedenken des dem Wirtschaftsministerium nachgeordneten NLfB ist allein deswegen schon zurückzuweisen, weil sich gemäß §8 Abs. 3 NROG im Anhörungsverfahren nur die Vertreter öffentlicher Interessen zu äußern hatten. Privatinteressen hatten dort zu schweigen. Ich finde es schon bemerkenswert, um nicht zu sagen bezeichnend, wie hier eine staatliche Institution offenkundig einem Privatinteresse - m.E. unzulässigerweise und unter Umgehung der Norm - seine Stimme leiht. Der Begriff "genehmigt" gehört nicht ins RROP, das ist ja schon Wunschdenken. Wir sollten dieses Bedenken nicht einfach nur zurückweisen. Wir sollten es abschmettern.

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