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Grundschulen

Schwiegershäuser Verein will Grundschule erhalten - Antwort der FWG Osterode

Im Anschluss: Anmerkungen der Landesschulbehörde (Außenstelle Osterode)

Schulentwicklung vs. Dorfentwicklung - Eine Abwägung

Sehr geehrte Frau Niehus,

ich bedanke mich herzlich für Ihr Schreiben vom 18. 9. namens des Fördervereines Dorfgeschichte und Brauchtum Schwiegershausen e. V.. Das von Ihnen und Ihrem Verein betriebene Museum "Hus in Dieke" ist mir von einer Besichtigung im Jahr 2006 anlässlich des Partneraustausches mit unserer Partnergemeinde Armentieres gut bekannt. Ich weiß Ihr großes Engagement und ihren Einsatz für den Erhalt und die Erinnerung an die dörflichen Traditionen der Ortschaft Schwiegershausen sehr zu schätzen.

Ich habe mich als Ratsherr der Stadt Osterode mit der beabsichtigten Zusammenfassung der Schule in Schwiegershausen mit der in Dreilinden am Standort Dreilinden umfassend auseinandergesetzt, dazu gehörte selbstverständlich auch eine Besichtigung beider Schulen sowie die Teilnahme an der vom Ortsrat Schwiegershausen durchgeführten Bürgerversammlung.

Raumsituation

Während es bei meiner Besichtigung der Schule in Dreilinden um die Frage ging, ob man beide Schulen von der Zahl der Unterrichtsräume her dort überhaupt zusammenfassen kann - nach meinem eigenen Augenschein ist dies überhaupt kein Problem - ging es bei der Besichtigung der Schule in Schwiegershausen insbesondere um den baulichen Zustand und um die Frage, ob man evtl. die Schließung dieser Schule noch hinauszögern kann. Ich teile die Auffassung des Bürgermeisters, dass es unverantwortlich wäre, im obersten Stockwerk noch Unterricht oder Versammlungen durchzuführen - man sitzt dort im Brandfall wie in einer Falle. Weitere Investitionen in das Schwiegershäuser Gebäude verbieten sich, solange dieses Haus nicht "trockene Füße" bekommt, z. B. durch Ausschachtung der Grundmauer, Abdichtung und Anlage einer Drainage. Sollte eine Abwägung ergeben, dass eine Beschulung der Schwiegershäuser Schüler dort mittel- oder gar langfristig gewünscht wird, so müssten diese erheblichen Investitionen natürlich hingenommen und finanziert werden. Als politischer Entscheider spreche ich mich allerdings dagegen aus, diese Investitionen zu tätigen, um den Bestand der Schule lediglich um ein oder zwei weitere Jahre zu sichern.

Dorf und Schule - Die Interessenlage

Sie gehen in Ihrem Schreiben ausführlich auf die Bedeutung der Schule für Ihre Ortschaft, für Ihren Verein und auch für andere Vereine ein. Ich teile Ihre Auffassung. Auch wenn es vielleicht möglich ist, das eine oder andere Projekt an der gemeinsamen GS Dreilinden und GS Schwiegerhausen auch am Standort Dreilinden fortzuführen, so wird die Schließung der Schule sicherlich einen Einschnitt und einen Verlust für die Ortschaft Schwiegershausen darstellen.

Ich habe diese schwerwiegenden Argumente als politischer Entscheider abzuwägen gegen das Interesse der Schüler an einer optimalen Beschulung und Vorbereitung auf die weiterführenden Schulen. Ohnehin kann ich mich nicht ausschließlich von den Interessen einzelner Ortschaften leiten zu lassen, sondern muss das Wohl der gesamten Stadt und all ihrer Ortschaften im Auge haben. So hat sich z. B. der Ortsrat Dorste einstimmig gegen den Antrag der FWG auf Schließung der dortigen Schule ausgesprochen, der Ortsrat der Ortschaft Förste einstimmig dafür. Beiden Ortschaften zusammen konnte man es naturgemäß nicht gleichzeitig "recht" machen.

Jahrgangsübergreifender Unterricht/ Kombiklassen

Ich habe mich schon damals und auch jetzt wieder ausführlich mit den pädagogischen Aspekten auseinandergesetzt und zahlreiche Gespräche mit der Fachebene geführt, und habe mich bei der Bürgerversammlung in Schwiegershausen bestätigt gefühlt, als der Vertreter der Landesschulbehörde von einem Meinungsbild unter Rektoren berichtete. Gefragt, bei welcher Schulgröße eine Schule optimal und sinnvoll organisierbar sei, antworteten 0 Rektoren, dies sei bei zwei Kombiklassen der Fall, 0 sahen dies bei 1 Kombiklasse als gegeben an, 5 bei einer einzügigen Schule, 17 bei einer zweizügigen (wie es in Dreilinden der Fall wäre), und 12 bei einer dreizügigen Schule (Mehrfachnennungen waren möglich). Als weiterer Aspekt wurde genannt, dass bei der Zusammenfassung zweier Klassen (Kombiklasse) deutlich weniger Lehrerstunden zur Verfügung stehen. Zwar werden Kombiklassen vom Land gefördert, dies reicht allerdings bei weitem nicht aus, um die in zwei getrennten Klassen zur Verfügung stehenden Lehrerstunden zu erreichen. Es gibt zahlreiche weitere Argumente, so ist z. B. aus den neuen Bundesländern bekannt, dass die Schulausfallzeiten mit der Größe der Schule abnehmen. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf die Website der FWG Osterode zur Grundschulproblematik hinweisen mit zahlreichen weiteren Argumenten und den aktuellen Schülerzahlen. Es scheint mir ein großer Unterschied zu sein, ob man in einer großen Schule - sozusagen freiwillig - eine Kombiklasse bildet, oder dies aus der Not heraus tut, um eine Schule zu retten.

Demographische Entwicklung

Lassen Sie mich nun etwas zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage "demographische Entwicklung" sagen, Sie bezeichnen dies als "Unwort des Jahres". Die von Ihnen anhand der Situation der Jahre 1981/1982 sowie 1986 unterstellte Annahme, es ginge auch jetzt nach einer Durststrecke in Schwiegershausen vielleicht wieder "bergauf", teile ich nicht. Das Unwort damals "Pillenknick"? Frauen, die damals nicht geboren wurden, können heute keine Kinder bekommen.

Alle mir bekannten Prognosen, auch bezogen auf den Landkreis und die Stadt, gehen von einem erheblichen Bevölkerungsrückgang aus. Dies liegt nicht nur an der Zahl der Kinder pro Frau (ca. 1,4), sondern vor allem an der Zahl der Frauen selbst. Wenn langfristig nur 1,4 Kinder pro Frau geboren werden statt der mindestens 2, die man für eine Beibehaltung der Bevölkerungsgröße brauchen würde, so sind dies 30 % zu wenig Kinder und spätere Erwachsene. Grob gesprochen, schrumpft die Gesamtbevölkerung pro Generation von 30 Jahren somit auf 70 %, in 60 Jahren also auf 49%, in 180 Jahren wird die Bevölkerung der Bundesrepublik dann von jetzt 80 Millionen Einwohner auf 9 Millionen abgenommen haben. Wir sehen jetzt den Anfang dieser Entwicklung, und zwar besonders deutlich bei den Kindern. Bezogen auf die Stadt Osterode hatten wir im Schuljahr 2001/2002 1108 Grundschulkinder, 2008/2009 (jetzt) 807, 2012/2013 werden es 748 sein. Nimmt man die Altersjahrgänge 6-9, so ergibt sich aus einer mir vorliegenden Bevölkerungsprognose des Institutes für Entwicklungsplanung Hannover (Ausgangsbasis 31. 12. 1999) für die Jahrgänge 6-9 Jahre 1033 Kinder für 2001, 857 für 2008, 781 für 2012 und 728 für 2018 (dem Endzeitpunkt für diese Prognose). Sicherlich können sich durch Zu- und Abwanderungen noch Änderungen ergeben, ich gehe aber davon aus, dass der Trend intakt bleibt, da der Rückgang bis jetzt im Wesentlichen zutreffend prognostiziert wurden.

Anforderung an die Entscheidung zur Schulschließung

Die FWG Osterode, die ich im Rat vertrete, bemüht sich um vernünftige, umsetzbare Politik auf Basis gründlicher Recherche; wir wollen uns nicht am nächsten Wahltermin orientieren, sondern denken dort deutlich darüber hinaus, wo es notwendig ist. Dabei sind derartige Bevölkerungsprognosen unverzichtbarer Bestandteil einer Politik, die Zukunft gestalten will und Basis unserer Entscheidungen. Dazu gehört aber auch, Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen - darum habe ich mich mit diesem Schreiben, insbesondere aber auch mit der Website der FWG, bemüht.

Ergebnis

Letztlich habe ich als Ratsherr zu einer Entscheidung zu finden, dabei werde ich das Interesse der Kinder an einer optimalen Ausbildung vor die Interessen der Ortschaft stellen. Es ist meine feste Überzeugung, dass wir jetzt im Bereich Grundschule entsprechend dem Beschlussvorschlag der Verwaltung handeln sollten, um das wichtigste Gut jeder Gesellschaft - die Kinder - so sorgfältig zu fördern, wie es nur möglich ist. Ich denke, wir werden dort eine leistungsfähige Schule schaffen bzw. erhalten. Es wird dann allerdings nicht mehr die Schule Dreilinden sein, sondern die gemeinsame Schule Dreilinden/Schwiegershausen (in alphabetischer Reihenfolge, vielleicht fällt Ihnen ja ein besserer Name ein?).

Ich denke, man sollte den Kindern in Schwiegershausen nicht das Gefühl geben, in Dreilinden und mit dem leider notwendigen Schülertransport kämen unhaltbare Zustände auf sie zu. Es ist völlig legitim und auch notwendig, die Interessen der Ortschaft so engagiert vorzutragen, wie Sie dies getan haben. Die Kinder selbst sollte man allerdings aus dieser Diskussion heraushalten, um überflüssige Verunsicherungen zu vermeiden. Sie sollen sich doch auf ihren neuen Lebensabschnitt, in dem sie eine Menge lernen werden und auf den sie sicherlich neugierig sind, freuen können. Verglichen mit zahlreichen Standorten in Innenstädten von Großstädten leben wir sowohl in Schwiegershausen als auch in der Kernstadt doch im Paradies, oder? Vielleicht haben Sie ja auch Kontakt zu Dorster Eltern und lassen sich da über deren Erfahrungen mit der Zusammenlegung der Schulen berichten?

Für weitere Gespräche stehe ich jederzeit zur Verfügung. Sie können mit diesem Brief selbstverständlich so verfahren, wie Sie es wünschen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang Wegener, Ratsherr Stadt Osterode am Harz (FWG)

Anmerkung: Dieser Brief wurde für das Web bearbeitet. Dabei wurde der Briefkopf entfernt, zur besseren textlichen Gliederung wurden Überschriften eingefügt. Die Veröffentlichung erfolgt mit Einverständnis der Adressatin.

Leserbrief vom 1. Oktober 2008

Anmerkungen der Landesschulbehörde (Außenstelle Osterode)

Sehr geehrter Herr Wegener,

zu Ihrer Stellungnahme, insbesondere dem Absatz "Jahrgangsübergreifender Unterricht/Kombiklassen", habe ich folgende korrigierenden Anmerkungen zu machen.

Im § 106 Abs. 1 NSchulG wird die Aufgabe des Schulträgers beschrieben und die Maßgabe des Bedürfnisses erwähnt.

§106 Errichtung, Aufhebung und Organisation von staatlichen Schulen

(1) Die Schulträger sind verpflichtet, Schulen nach Maßgabe des Bedürfnisses zu errichten, zu erweitern, einzuschränken, zusammenzulegen, zu teilen oder aufzuheben.

Die Erläuterung, was ein Bedürfnis ist, beschreibt Abs. 4:

(4) Ob ein Bedürfnis nach den Absätzen 1 bis 3 besteht, stellt die Schulbehörde im Benehmen mit dem Schulträger insbesondere unter Berücksichtigung

  1. der Entwicklung der Schülerzahlen,
  2. des vom Schulträger zu ermittelnden Interesses der Erziehungsberechtigten oder der volljährigen Schülerinnen und Schüler sowie
  3. der Ziele des Schulentwicklungsplans fest.

Der Absatz 4 kann nicht dahingehend interpretiert werden, dass der Schulträger ausschließlich aus pädagogischen Begründungen zu einer Schulschließung kommt. Die Darlegung des Bedürfnisses sollte vor allem die drei in Absatz 4 genannten Themen berücksichtigen.

Weder die persönliche Meinungsäußerung von Schulleiterinnen und Schulleitern zu gewünschten Schulgrößen noch die Aussage zu der Lehrerversorgung oder Qualität der Schulen mit Kombiklassen sollten zur Argumentation laut § 106 herangezogen werden.

Die Aussage, dass bei einer Kombiklasse deutlich weniger Lehrerstunden zur Verfügung stehen, muss anders interpretiert werden.

Die Unterrichtsversorgung der Schulen mit und ohne Kombiklassen wird in Niedersachsen nach dem Klassenbildungserlass einheitlich berechnet. Für die Unterrichtsversorgung aller ca. 180 Schulen in den Bereichen Göttingen, Northeim und Osterode trage ich die Verantwortung. Die Grundschulen sollen nach Vorgabe möglichst mit 102 % versorgt werden. Ich versorge sowohl Schulen mit als auch Schulen ohne Kombiklassen mit ca. 102 %. Die Unterrichtsversorgung ist somit sichergestellt, ob es sich um Schulen mit oder ohne Kombiklassen handelt.

Hier nochmals ein Rechenbeispiel:

KlasseSchülerzahl Sollstunden
11820
22022
32126
42426

Schule A (einzügige Grundschule)

Der Grundbedarf für die 4 Klassen beträgt 94 Lehrersollstunden. Bei einer Versorgung mit 102 % wären das also ca. 96 Lehreriststunden.

KlasseSchülerzahl Sollstunden
1 16
2824
3 2126
42426

Schule B (Schule mit Kombiklasse 1/2)

Der Grundbedarf für 3 Klassen beträgt 76 Lehrersollstunden. Bei einer Versorgung mit 102 % wären das also ca. 78 Lehreriststunden.

Die Unterrichtsversorgung ist jederzeit gesichert. Beide Schulen sind zu 102 % versorgt!!

Ich hoffe, mit meinem Schreiben zur Klärung des Sachverhaltes beigetragen zu haben.

Mit freundlichem Gruß

Gerald Müller

Regierungsschuldirektor
Unterrichtsversorgung und Personalplanung
Landesschulbehörde
Außenstelle Osterode

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