Abfallwirtschaftsprogramm des Landkreises Osterode am Harz
Dr. Wolfgang Wegener
im Kreistag (Redemanuskript)
Bundesregierung vernichtet Milliardenwerte durch TASi-Änderung
Anrede,
Das Thema Abfallbeseitigung wird einen der Schwerpunkte der Arbeit dieses Kreistages
darstellen, jeder Einwohner wird die Folgen der anstehenden Entscheidungen unmittelbar und
nennenswert zu spüten bekommen. Absehbar ist nach diesem Abfallwirtschaftsprogramm (AWP): Die Kosten
und damit die Gebühren werden ab dem 1. Juni 2005 steigen. Die Einwohner haben ein Recht, die Entwicklungen zu verstehen
und einordnen zu können, lassen Sie mich daher einige Anmerkungen machen, auch wenn Ihnen vieles
bekannt ist.
Restlaufzeit der Osteroder Deponie bis 2050
Vieles, was jetzt auf die Einwohner zukommt, ist vernünftig: Es ist richtig, Abfall zu
vermeiden, es ist wünschenswert, unseren Kindern inerte Deponien zu hinterlassen, es ist richtig,
soviel wie möglich wiederzuwerten. Eine Frage ist, ob die Kosten dafür in einem akzeptablen Verhältnis zu
den erzielten Verbesserungen für die Umwelt stehen. Das eigentliche Problem aber ist, daß die Gesetze und
Verordnungen, die all das bewirken sollen und es auch tun werden, zum Zeitpunkt der Bauentscheidung
vieler Deponien nicht vorhersehbar waren und wesentlich schneller umgesetzt werden müssen, als es den
Laufzeiten vieler Deponien entspricht: Einiges von dem, was in den letzten Jahren mit hohem Finanzaufwand
investiert wurde, wird sich als überflüssig erweisen ("rausgeschmissenes" Geld). Die
Restlaufzeit unserer Deponie (Polder 1 und 2) geht bis 2050, Rechtssicherheit
haben wir als Folge dieser Regulierung nur noch bis 2005. Ab dem Jahr 2005 wird ein extrem geringer
Feuchtigkeitsgehalt des abzulagernden Hausmülls durch die Technische Anleitung Siedlungsabfall, kurz
TASi, vorgeschrieben. Selbst wenn wir -was wir müssen- den Hausmüll spätestens ab dem 1.6.99
von den organischen und besonders feuchten Bestandteilen entfrachten, wird der
verbleibende Hausmüll immer noch wesentlich zu feucht sein, um nach 2005 so auf
dem Hausmüllpollder 1 abgelagert werden zu dürfen, der Hausmüll müßte verbrannt
werden. Um die verbleibende Asche
abzulagern, braucht man den Standard, den wir seit Anfang der 90-er Jahre für 50
Mio Mark realisiert haben, nicht mehr. Möglicherweise brauchen wir überhaupt keine Deponie mehr.
Zwei Preisraketen
Die Situation läßt sich beschreiben:
Die Müllmengen brechen weg, die Laufzeiten
der Deponien verlängern sich also, gleichzeitig verordnet die Regierung, daß ab
2005, also in 8 Jahren, die Deponie für Hausmüll ohne vorherige thermische
Verwertung geschlossen wird. Daß
Hausmüllpolder 1 in zeitlicher Nähe zu 2005 verfüllt sein wird, liegt nur
daran, daß unsere Verwaltung bei ihrer perversen Jagd auf raren Müll in Goslar
erfolgreich war. Haben wir also ggw.
noch ein Interesse daran, darauf hinzuwirken, daß genehmigte Deponien auch nach
2005 noch ohne Verbrennung des Mülls genutzt werden dürfen? Ich meine ja: Wir müssen in wenigen Jahren
entscheiden, ob und wie wir den Polder 2 ausbauen. Ohne den Ausbau des Polders 2 blieben 25% der
Kapazität des laufenden Polders 1 aus deponietechnischen Gründen ungenutzt. Gegenwärtig
kostet die Deponierung des Hausmülls 123 Mark pro Tonne, die Kosten für die
Verbrennung liegen dagegen bei 200-570 Mark pro Tonne. Bei einer Änderung der TASi würden wir uns
nicht mehr um den Müll anderer Leute reißen müssen: Das würde die Akzeptanz
verbessern, das läßt viele Einwohner doch den Kopf schütteln. Bundesweit gibt es Landkreise, deren
Deponien teilweise über 100 Jahre Laufzeit haben.Es werden 2 Preisraketen
gezündet: Teuer bezahlter Deponieraum bleibt ungenutzt, Verbrennen ist teurer
als Deponieren. Die Situation läßt
sich so umschreiben: Man kauft sich ein teures, neuesten Umweltstandards
entsprechendes Auto, wenig später verschärft die Regierung die Umweltauflagen
erneut, gibt einem nur kurze Zeit zur Stillegung des noch gebrauchsfähigen
Autos und zwingt einen zum Kauf eines noch wesentlich teureren Autos. Als
Bundesbürger lassen Sie mich daher ganz klar eines sagen: Diese Bundesregierung
vernichtet bewußt Milliardenwerte auf Kosten des Gebührenzahlers. Der meßbare Fortschritt für die
Umwelt ist
dabei gering verglichen mit dem, der durch den Bau unserer Deponie im Vergleich
zu früher erreicht wurde (s. vorhandene Altlasten im Landkreis). Auf diesen wesentlichen Gesichtspunkt hat
die Verwaltung vor einiger Zeit in einem überregionalen Leserbrief hingewiesen.
Laufzeiten der Deponien voll ausnutzen
Auch wenn wir noch
vergleichsweise Glück zu haben scheinen, haben daher sowohl wir als auch die wesentlich
schlimmer betroffenen Landkreise nicht nur das Recht, sondern die Pflicht,
massiv darauf hinzuweisen, daß wir
unverzüglich Rechts-und Planungssicherheit dahingehend benötigen, daß
bestehender Deponieraum auch nach 2005 noch bestimmungsgemäß vollständig
verfüllt werden darf.Ich
persönlich kann nur das Manuskript dieser Rede an den Spiegel schicken mit der
Bitte, die volle bundesrepublikanische Aufmerksamkeit auf das für die TASi
zuständige Referat im Bundesumweltministerium zu lenken, anderen unter uns
stehen möglicherweise effektivere Methoden zur Verfügung.
Ich begrüße die
Zusammenarbeit mit dem Landkreis Goslar: Noch müssen wir unsere Deponie so
schnell wie möglich verfallen, Goslar benötigt Deponieraum, und beim
Kompostieren sollten wir ebenfalls zusammenarbeiten.
Brenntage
Da,
wo wir handeln können, müssen wir alles tun, um unseren
Einwohnern Kosten zu ersparen, und sei die Einsparnis auch noch so gering. Wir brauchen jetzt jede
Akzeptanz, die wir bekommen können.
Ich beantrage daher, den vierten Pfeil im Maßnahmekatalog auf
Seite 30 unten zu streichen. Dort heißt es sinngemäß, Nach Einführung der grünen Tonne bestünde aus
fachlicher Sicht kein Grund zur Beibehaltung von Brenntagen. Eine scheinbar unangreifbare
Tatsachenbehauptung, tatsächlich gemeint ist aber eine Maßnahme. Bis auf Bad Lauterberg, die
Samtgemeinde Bad Grund und Osterode haben sämtliche Städte und Gemeinden im
Landkreis zwei Brenntage pro Jahr. Wir sollen beschließen, zeitgleich mit der Einführung der grünen Tonne
diese Brenntage wieder zu streichen, zumindest sollen wir darauf hinwirken, denn
zuständig nach der Kompostverordnung sind ja die Gemeinden.
Sollen wir wirklich
den Einwohnern auch noch das letzte bißchen Reisig und Baumbeschnitt aus der Hand winden, während
zeitgleich die Gebühren durch die grüne Tonne steigen? Sollen wir uns wirklich in die Angelegenheiten der
Gemeinden einmischen, dort, wo wir gar keine Zuständigkeit haben und selbst zeitgleich nach oben
schimpfen wie die Rohrspatzen? Erst seit 1994 sind die Gemeinden für die Brenntage zuständig, vorher
wurde im Landkreis praktisch nichts verbrannt, seitdem sind die Mengen des Grünabfalls um 1100 Tonnen
gesunken, Das ist, verglichen mit den über 20 000 Tonnen Kompostierkapazität, die derzeit
gemeinsam mit Goslar und Wolfenbüttel möglich sind, sehr wenig. Auch die mit Recht verlangte Förderung der
Eigenkompostierung wird dazu führen, daß der Landkreis das eigentlich mögliche
Potential an Grünabfall nicht voll für sich ausschöpft.
Bei 100 Mark pro Tonne Kompostierkosten
entsprechen 1100 Tonnen etwa 100 000 Mark mehr in den Taschen der betroffenen
Einwohner, das Verbrennen ist ja kostenlos, und derzeit haben wir noch keine
Kompostierkapazität aufgebaut. Im übrigen gehe ich davon aus, daß das Verbrennen geeigneter
Gartenabfälle die Umwelt nicht belastet, sondern - verglichen mit einer externen
Kompostierung-sogar entlastet. Die Streichung der Passage
auf Seite 30 unten setzt m. E. ein Zeichen unseres guten Willens: Der Kreistag
sollte tun, was er kann.
Ansonsten bin ich mit dem
AWP im Wesentlichen (wie es in Prüfberichten so schön heißt) einverstanden.
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