Dr. Wolfgang Wegener (FWG)
im Kreistag (Redemanuskript)
Kooperation
Anrede,
der Kreistag wird heute die Verwaltung beauftragen, eine
Kooperation in Südniedersachsen auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft zwischen den Landkreisen Osterode,
Northeim und Göttingen sowie der Stadt Göttingen vorzubereiten.
Die Eckdaten
Vorgesehen ist der Bau und gemeinsame Betrieb einer Anlage zur Mechanisch-Biologischen
Abfallbehandlung (MBA) bzw. zur Mechanisch-Biologischen Stabilisierung (MBS) auf der Basis einer
kommunalen Organisation auf dem Gebiet der Deponie Deiderode des Landkreises Göttingen; die Umlegung
der Kosten für Verwertung, Umschlag und Transport in gleicher Höhe pro Tonne sowie die Ablagerung der
vorbehandelten Restabfälle auf der Northeimer Deponie Blankenhagen. Die Deponien der Landkreise
Osterode und Göttingen werden geschlossen, die Kosten der jeweiligen Altbereiche trägt der jeweilige
Deponiebetreiber selbst. Mittelfristig soll die Osteroder Deponie Hattorf Zentraldeponie für sog. inerte (TASi I)
Abfälle) werden. Eine weitere gemeinsame Aufgabenerfüllung soll angestrebt werden.
Vorteile für Alle
Göttingen bekommt also die Anlage, und damit die
Wertschöpfung, Northeim kann seine Deponie verfüllen, die als einzige der drei Deponien noch eine
ausreichende Reichweite hat und der Landkreis Osterode bekommt Solidarisierung insbesondere
hinsichtlich der Transportkosten. Niemand weiß, welche Mengenentwicklung wir innerhalb des
Planungszeitraumes von 25 Jahren erleben werden, niemand weiß, welche Änderungen der Vorschriftenlage
wir noch erdulden müssen: Diese Risiken werden auf viele Schultern verteilt, die vier Partner
vertreten eine halbe Million Einwohner. Der Landkreis Osterode - mit 85000 Einwohnern die
kleinste der beteiligten Gebietskörperschaften - hat an dieser Kooperation ein besonderes Interesse: Für den
Bau der Anlage sind ca. 40 Mio. Euro vorgesehen, mit dem Bau einer eigenen Anlage (Kosten ca. 18 Mio.
Euro bei fast doppelt so hohen spezifischen Betriebskosten) wäre unser Landkreis überfordert gewesen.
Die Auswirkungen auf die Abfallgebühren
Zur Frage der zukünftigen Gebührenentwicklung und der
Frage, wer sie zu vertreten hat, ist anzumerken, dass es Spekulation wäre jetzt die künftige Gebührenhöhe
abschätzen zu wollen - die Anlage ist ja noch nicht einmal ausgeschrieben. Fest stehen allerdings zwei
Dinge. Die Gebühren werden deutlich steigen, und zweitens hat dies nicht der Landkreis zu vertreten, sondern
der Bund. Die jetzt zu vereinbarende Kooperation kann nur noch das Ziel verfolgen, bei einer vorgegebenen
Vorschriftenlage den für unsere Einwohner günstigsten Weg zu finden.
Ärger
über Verhalten des Bundes
Als Abgeordneter einer rein regional aktiven Wählergemeinschaft möchte
ich hier beträchtlichen Ärger am Verhalten des Bundes zu Protokoll geben, und mit diesem Ärger stehe ich
auch nicht allein.Bereits im April 1996 wies der Oberkreisdirektor des Landkreises Osterode in einem in der
FAZ veröffentlichten Leserbrief auf die Auswirkungen
der 1993 in Kraft getretenen Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) hin, die allen Kreisen und Städten
vorschrieb, bis spätestens 2005 den Abfall zu verbrennen. Da mehr als die Hälfte der niedersächsischen Deponien
weit über das Jahr 2005 hinausreichten, bliebe teuer bezahlter Deponieraum unverfüllt, zusätzlich müssten für
mindestens 30 Jahre Nachsorgekosten für dann eben halbleere Deponien bezahlt werden. Als Folge
drohe eine Versechsfachung der Müllgebühren, so der Oberkreisdirektor 1996 aufgrund der damals bekannten
Preis - und Mengengerüste. Eine Versechsfachung der Gebühren - also eine Gebührenexplosion - lässt
sich aufgrund des Gutachtens mittlerweile zwar ausschließen, ein starker Gebührenanstieg allerdings wird
unvermeidbar sein. Zur Frage, wer denn das alles bezahlen soll, teilte die Bundesregierung 1992 mit:
"Dem Bund entstehen durch die Umsetzung der TASi keine unmittelbaren Kosten. Insbesondere bei den
Kommunen fallen Kosten an, vor allem für ... Hausmüllverbrennungsanlagen. Es ist vertretbar, die ...
Mehrkosten vollständig über eine Erhöhung der kommunalen Gebühren für die Abfallentsorgung auf die
Verbraucher überzuwälzen". Wer die Musik nicht bezahlen muss, die er bestellen darf, der lässt eben
Michal Jackson einfliegen. Da in der Folge alle Kommunen versuchten, ihre Deponien bis 2005 noch zu
verfüllen - bei uns wird dies aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Landkreis Goslar hinsichtlich der bereits
ausgebauten Teile unserer Deponie auch fast gelingen -
stiegen die mittleren Entfernungen für Mülltransporte innerhalb von 10 Jahren von 30 auf 300 km an, so Prof.
Kranert von der FH Wolfenbüttel im Juni 2000. Berichtet wurde von einem süddeutschen Landkreis, der sogar
Detektive einsetzte, um den Müll am Verlassen des Landkreises zu hindern.
Im März 2001 wurde die
TASi dann durch die neue Bundesregierung geändert (deutliche Impulse dafür kamen mit den ins
Bundeswahlprogramm der SPD 1998 aufgenommenen Vorschlägen der SPD-Ortsvereine Osterode und
Herzberg aus unserem Landkreis). Nun ist neben der Verbrennung auch die MBA zulässig, deren Kosten allerdings denen
der Verbrennung gleichkommen: Allerdings lassen sich dabei die Deponien noch weiternutzen, wenn auch mit
deutlich reduzierter Menge. Dass diese neuen Optionen auch tatsächlich günstiger sind - zumindest in
Südniedersachsen - zeigt das Gutachten. Danach ist die Verbrennungsvariante incl. der Kosten für
Deponieschließung mit einem Mittelwert von ca. 200 Euro/Mg deutlich teurer als die MBA und MBS-Varianten
mit ca. 155 Euro/Mg im Mittel. Dies ist der Grund, warum Südniedersachsen nun verfahrensoffen lediglich
MBA und MBS ausschreibt, die Verbrennung bleibt außen vor.
Kostengünstigster
Weg bei Einhaltung der Bundesgesetzgebung
Ich hatte im April 2000 im Vorfeld der
anstehenden TASi-Änderung vorgeschlagen, bereits planfestgestellte, hochwertige Deponien wie die in
Hattorf auf Basis
einer Ausnahmegenehmigung unter Nutzung sämtlicher Ausbauoptionen vollständig mit unvorbehandeltem
Restmüll zu verfüllen, und erst danach in die Verbrennung einzusteigen: Dies hätte uns wohl für weitere 20
Jahre dauerhaft niedrige Abfallgebühren gewährleistet. Leider ist uns dieser Weg aufgrund der
Bundesgesetzgebung versagt geblieben; die Gründe dafür sind mir unbekannt. Die Aufgabe, unter
Einhaltung dieser Bundesgesetzgebung jetzt den für die Einwohner Südniedersachsens kostengünstigsten Weg
zu finden, haben wir allerdings - wie ich meine - gelöst. Dank dafür gebührt insbesondere auch den
beteiligten Mitarbeitern der vier Verwaltungen und den jeweiligen Hauptverwaltungsbeamten, die in Tausenden
von Arbeitsstunden und einem Prozess des Gebens und Nehmens diesen Vorschlag erarbeitet haben, dem ich
heute genau so auch zustimmen werde.
Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für
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