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Abfallwirtschaft

Müllverbrennung ab 2005

Dr. Wolfgang Wegener (FWG) in einem Brief an die Redaktion "Der Spiegel"

Katastrophale Auswirkungen auf Abfallgebühren

Sehr geehrter Herr.... ,

Sie haben in unserem Telefonat am Mittwoch gesagt: "Eine Regierung, die die Verbrennung unseres Mülls vorschreiben würde, dürfte die nächste Wahl nicht überstehen". Ich nehme an, damit haben Sie die Brisanz dieses Themas zutreffend beschrieben, welches ich Ihnen anhand einiger Appetithäppchen nahe bringen möchte.

Die Technische Anleitung Siedlungsabfall (TASi) schreibt für die Ablagerung von Müll u.a. einen Glühverlust von höchstens 5% vor. Das wurde Anfang dieses Jahres vom Bundeskabinett noch einmal bestätigt. Dieser Glühverlust ist nach derzeitigem Stand der Technik nur durch thermische Verfahren (Verbrennen) erreichbar. Dagegen hätte ich auch gar nichts, es bedeutet aber in der Konsequenz:

  • Auf Deponien, die mit hohem zweistelligen Millionenaufwand nach modernstem Umweltstandard errichtet wurden, darf ab 2005 kein Müll mit einem Glühverlust größer als 5% (z. B. Hausmüll) mehr abgelagert werden. Die Reichweite etlicher Deponien liegt deutlich über 9 Jahren (bis 2005), es gibt Reichweiten bis zu 188 Jahren. Diese Deponien müssten (mehr oder weniger leer für Hausmüll) geschlossen werden, egal wie aufwendig die Dichtung ist. Die Folgen für die Gebühren dürften teilweise absolut katastrophal sein. Wird eine Deponie mit einer Reichweite von 18 Jahren in neun Jahren geschlossen, müssten die Abschreibungen und Zinsen für die Herstellung in halber Zeit vom Gebührenzahler aufgebracht werden. Dazu kommen die noch die im Vergleich zur Deponierung ohnehin höheren Kosten der Verbrennung (Richtwert: 500 DM/t).
  • Die Landkreise, deren Deponien Reichweiten größer als 9 Jahre haben, müssen daran interessiert sein, ihre Deponien möglichst bis 2005 noch vollzubekommen.(Pech, wenn die TASi dann doch noch geändert wird. Es wird sicherlich gegenwärtig intensiv mit Müll gehandelt, der über entsprechende Strecken transportiert werden muss. Wer heute größere Mengen Müll "anbieten" kann, hat eine starke Verhandlungsposition hinsichtlich des Preises.
  • Es stehen erhebliche kommerzielle Interessen auf dem Spiel. Das meiste Know-how bei Verbrennen in Großanlagen haben natürlich die Betreiber von Groß-Kraftwerken. Gehört bald die Hälfte Deutschlands den RWE?

Ich weiß, es ist ein knochentrockenes Thema, kein Sex and Crime, Bestechung, Korruption oder Human Touch. Ich bin aber sicher, der wahre Charme dieses Themas erschließt sich auch Ihnen auf den zweiten Blick. Die Müllgebühren werden auf den Bürger umgelegt, die Müllbeseitigung ist daher für den Bund, Land und Kommunen praktisch kostenlos. Ausgerechnet diejenigen, die ohne großes Federlesen alle neuen Standards (die in immer schwindelerregendere Höhen klettern) betriebsblind kostenmäßig dem Bürger aufbrummen, sind praktisch auf der sicheren Seite. Das ärgert mich übrigens auch bei diesem Thema.

Zeit für den Spiegel, da mal zuzuschlagen. Zeit für Sie, Herr ......, demütig den Kopf zu senken und mit den Fachleuten zu sprechen. Beginnen Sie nicht mit denjenigen, die die Rezepte machen, sprechen Sie erst mal mit denjenigen, die selbst in der Küche stehen: Haben Sie in Hamburg nicht auch ein Amt für Abfall? Dieses Ortsgespräch ist das Mindeste, was ich von Ihnen für meine Kopier-und Portokosten erwarte. Sie werden vermutlich überrascht sein, wie es in diesem Wespennest summt. Sollten Sie Gefallen an diesem Thema finden, stehe ich gerne mit weiterer Literatur, möglichen Ansprechpartnern usw. zur Verfügung (als Einstieg, Sie können sicherlich ganz anders "Gummi geben")

Mit freundlichem Gruß

Wolfgang Wegener

P.S.: Eine naheliegende Forderung wäre etwa: Verbrennung erst dann, wenn unsere Deponie voll ist.

Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für Hinweise sind wir dankbar. Die Druckversion dieses Artikels enthält weitere Kontaktmöglichkeiten.

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FWG Osterode
URL: http://www.fwg-osterode.de/abfall-spiegel-070696.htm
Kontakt: Dr. Wolfgang Wegener, Falkenweg 6, 37520 Osterode,
Tel. 05522-72609, Fax 05522-506378. Mail: wegener@fwg-osterode.de