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bevor ich auf einige konkrete Punkte in diesem Verordnungsentwurf eingehe, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung zu den Anforderungen, an denen sich diese Verordnung messen lassen muss. Jedes Verbot stellt einen Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit dar (Art. 2 Grundgesetz) und muss daher gut begründet werden.
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 des niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) ermächtigt die Gemeinden zum Erlass von Verordnungen, um sogenannte abstrakte Gefahren abzuwehren, das sind nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlagen, die im Fall ihres Eintritts eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen. Ein bloßer Gefahrenverdacht, so das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seiner Entscheidung vom 3. 7. 2002 (6 CN 8.01) rechtfertigt dabei kein Einschreiten der Sicherheitsbehörden in Form einer Rechtsverordnung auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung. Die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlange von der Polizei und den Ordnungsbehörden eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssten hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen.
Gemessen an diesen Anforderungen ist der heute zu beratende Entwurf eine juristische Lachnummer. Es wird vielfach noch nicht einmal dargelegt, welcher Gefahr denn durch ein Verbot vorgebeugt werden soll, geschweige denn werden hinreichende Anhaltspunkte mitgeteilt, die den Gefahrenfall wahrscheinlich machen.
Insgesamt kann ich dieser Vorlage nicht zustimmen. Bei diesen Verboten handelt es sich um Eingriffe in die Freiheit der Osteroder. Das schmerzt immer und muss meiner Meinung nach wesentlich detaillierter als hier begründet werden. Diesem Anspruch wird diese Vorlage nicht einmal im Ansatz gerecht. Diese Vorlage muss daher zurück in die Verwaltung und gründlich überarbeitet werden, so werde ich ihr keinesfalls zustimmen. Sollte diese Vorlage heute so beschlossen werden, prognostiziere ich ihr ohnehin kein langes Leben. Jeder Einwohner hat die Möglichkeit einer Normenkontrollklage, vorher hat gem. § 62 Nds. SOG die Fachaufsichtsbehörde die Möglichkeit, die Verordnung ganz oder teilweise aufzuheben. Diese teilweise oder gänzliche Aufhebung müsste dann ggf. öffentlich bekanntgemacht werden. Ich jedenfalls werde die Aufsichtsbehörde um eine Prüfung dieser Verordnung bitten, damit es gar nicht erst zu Klagen kommen muss.
Bericht über die Ratssitzung vom 25. 1. 2007
Nach diesem Entwurf soll es zukünftig verboten sein, im Bereich von Gewässern frei lebende Enten zu füttern, auf den städtischen Gewässern (z. B. dem Kaiserteich) Eis zu laufen oder sich außerhalb von konzessionierten Schankflächen zum Zwecke des Alkoholgenusses aufzuhalten - lauter neue Verbote. Dr. Wegener vermisste die seiner Auffassung nach notwendige detaillierte Begründung etwaiger Gefahrenpotentiale, an Verbote gem. § 55 Abs. 1 Nds. SOG (s. Redemanuskript) seien hohe Anforderungen zu stellen, da dadurch ja immerhin Freiheiten der Bürger eingeschränkt werden, und stellte seine erheblichen Bedenken konkret an vier Beispielen dar. Er teilte mit, dass er dem Verordnungsentwurf so nicht zustimmen werde - dieser müsste zurück in die Verwaltung und gründlich überarbeitet werden. Ein Angehöriger der Mehrheitsfraktion gab anschließend anhand zahlreicher plastischer Beispiele ebenfalls Bedenken zu Protokoll, u. a. mit der Aussage:"Wir können es doch nicht mit einem Bußgeld von vielleicht 100 oder 200 Euro ahnden, wenn eine Oma mit ihrer Enkelin Enten füttert" (Vorgesehene Höchstgrenze für Ordnungsgelder in der Verordnung: 5000 Euro). Der Vorsitzende der Mehrheitsfraktion teilte dagegen mit, er müsse sich darauf verlassen dürfen, dass der vorgelegte Verordnungsentwurf der Verwaltung auch rechtlich in Ordnung sei und sprach sich gegen eine Zurücküberweisung an die Verwaltung aus.
Angesichts all dieser Argumente beantragte die CDU - Fraktion Vertagung. Da die Angelegenheit bereits zweimal im nichtöffentlich tagenden Verwaltungsausschuss vertagt worden sei (die Beteiligung eines der öffentlichen tagenden Fachausschüsse des Rates war trotz eindeutig ausschließlicher Zuständigkeit des Rates gem. § 40 Abs. 1 Ziffer 4 garnicht vorgesehen worden), seien nunmehr, so die Verwaltung, für eine weitere Vertagung die Stimmen der "Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Rates" notwendig. Da der Rat 35 Mitglieder hat, beträgt dieses Quorum 18 Stimmen.
Diese Hürde überspang der Rat locker, es gab auch in der Mehrheitsfraktion offenbar große Bauchschmerzen. Die Abstimmung war dort offensichtlich freigegeben worden, wodurch diese Ratssitzung zu einer Sternstunde geriet.
Neben den Argumenten, die zur Vorbereitung der Ratssitzung intern innerhalb der Fraktionen diskutiert worden waren, konnten nämlich die Argumente der anderen bei der Entscheidung berücksichtigt werden, dies betraf hier insbesondere die in der Ratssitzung aufgeworfenen rechtlichen Fragen. Es wurde von einigen Ratsmitgliedern ganz offen und selbstbewusst mitgeteilt, dass dies in dieser Schärfe vorher noch nicht ausreichend diskutiert worden war und dass diese Fragen nun geprüft werden müssten., was letztlich zu dem Vertagungsantrag der CDU führte. Dr. Wegener: "Im Bundestag werden Abstimmungen zu ethischen Fragen (z. B. zur Gentechnik) traditionell freigegeben, so dass jeder Abgeordnete ausschließlich nach seinen eigenen, persönlichen Überzeugungen abstimmen kann, dies sind mit die interessantesten Debatten. Ich kann nur raten, auch im Rat ab und an Abstimmungen freizugeben".
Bericht über die Ratssitzung vom 1. 3. 2007 (→ Tagebucheintrag)
Nachdem daraufhin vertagt worden war, wurde die Beschluss-Vorlage jetzt unverändert wieder so eingebracht, allerdings mit dem Zusatz, dass eine Ordnungswidrigkeit erst dann eintrete, wenn man sich "länger als dreißig Minuten" außerhalb von konzessionierten Schankflächen in öffentlichen Anlagen und auf Straßen zum Zwecke des Alkoholgenusses aufhalte (Unterstellt wird dabei, dass man mindestens dreißig Minuten benötige, um sich vom Normalmenschen in einen betrunkenen Randalierer zu verwandeln, der offenbar eigentlich gemeinten Zielperson der Verordnung). Damit wird dieses Verbot deutlich enger gefasst. Die FWG geht davon aus, dass mit diesem Zusatz die Verordnung von der Fachaufsicht nicht moniert werden wird.
Die FWG geht ferner davon aus, dass bei lediglich zwei Überwachungskräften die Verordnung von der Stadt selbst nicht durchgesetzt werden kann, die Polizei dagegen hat genug mit Schlägereien Betrunkener am Wochenende innerhalb konzessionierter Schankflächen zu tun, anstatt sich auch noch um entenfütternde Omas mit ihren Enkelinnen kümmern zu können. Wer als Normgeber sehenden Auges derart massive Vollzugsdefizite verursacht, mache sich lächerlich und schwäche die Rechtstreue der Bürger, die derartige Vorschriften nicht mehr ernst nehmen könnten, so die Einschätzung der FWG. So handele es sich etwa bei Schlittschuhlaufen auf dem Kaiserteich oder beim Entenfüttern um jahrzehntelang in Osterode geübten Brauch.
Abgesehen von diesen juristischen Fragen, so Dr. Wegener im Rat, habe man in diesem Land bereits so viele Vorschriften und Verbote, dass vielfach die Luft zum Atmen fehle. Man brauche nicht noch mehr, sondern weniger Verbote. Er beantragte daher, die Verbote des Entenfütterns, des Schlittschuhlaufens und des Alkoholgenusses außerhalb konzessionierter Schankflächen nicht zu beschließen und es insofern beim Status Quo zu lassen. FDP, CDU, Grüne und SPD (die Reihen der anwesenden Fraktionsmitglieder waren wieder fest geschlossen) dagegen wollten diese neuen Verbote, die Verordnung trat gegen die FWG in Kraft, die immerhin durch ihre Intervention im Januar erreicht hat, dass nun zumindest das Bierchen mit dem Nachbarn auf dem Bürgersteig nach gemeinsam geschnittener Hecke 30 Minuten lang genossen werden kann - danach allerdings droht ein Ordnungsgeld.
Jeder Osteroder Bürger, der sich durch all diese Verbote beschwert fühlt, hat nun noch ein Jahr Zeit, vor dem Verwaltungsgericht Normenkontrollklage zu erheben.
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