FWG Osterode am Harz Politik für Stadt und Landkreis - Daten, Fakten, Konzepte. |
als Vorsitzender der im Kreistag und im Stadtrat Osterode vertretenen Freien Wählergemeinschaft bitte ich Sie, uns Ihre Entscheidung, den Bundeswehrstandort Osterode am Harz zu schließen, nachvollziehbar zu erläutern.
Wir haben großes Verständnis dafür, dass es angesichts eines uns vermutlich bevorstehenden Jahrhunderts des Friedens in Europa zu Effizienzsteigerungen und damit verbundenen Standortschließungen der Bundeswehr kommen muß - die jetzt vorgesehenen Maßnahmen fallen aus unserer Sicht sogar noch weit hinter das Weizäcker-Gutachten zurück. Die mit diesen Standortschließungen zwangsläufig verbundenen Lasten müssen aber gerecht verteilt werden.
Werden die Effizienzsteigerungen der Bundeswehr unter rein militärfachlichen Aspekten vorgenommen mit dem Argument, die Armee sei schließlich nicht für Regionalförderung zuständig, so wäre das zwar nachvollziehbar. Es ergäbe sich daraus aber zwangsläufig die Konsequenz, die verfassungsrechtlich gebotene Herstellung bzw. Aufrechterhaltung gleicher Lebensbedingungen in Deutschland dann in anderer geeigneter Art zu beachten, wobei Osterode z. B. aufgrund seiner demographischen Altersstruktur und der Wanderungsbilanz eine Kompensation weniger in Geld als vielmehr in Menschen benötigen würde.
Von derartigen Plänen ist mir allerdings nichts bekannt, vielmehr werden offensichtlich die Standortschließungen nicht kompensiert mit dem Argument, es werde eben gerade nicht unter rein militärfachlichen Aspekten entschieden, sondern auch ein strukturpolitischer Kriterienkatalog berücksichtigt. Insofern kommt diesem Kriterienkatalog auch eine große Bedeutung zu.
Der Landrat des Landkreises Osterode hat in einem offenen Brief an Sie vom 30. 1. 2001 dargelegt, wie sich dieser Vergleich etwa hinsichtlich des von Ihnen zur Schließung des Standortes Osterode offenbar ins Auge gefassten Alternativstandortes Wesendorf im Landkreis Gifhorn darstellt. Wenn ich auch ein derartiges Verfahren - nämlich den Vorschlag eines Alternativstandortes - für äußerst bedenklich halte - schließlich sind Sie zuständig und sollten derart gravierende Entscheidungen nicht quasi delegieren wollen - so ist doch der Ansatz dieses Vergleiches richtig, er richtet sich allerdings nicht auf Wesendorf, sondern an die 464 zu erhaltenden Standorte. Lediglich 39 Standorte sollen geschlossen werden, einer davon soll Osterode sein: Das ist für uns angesichts der strukturpolitischen Daten in keiner Weise nachvollziehbar. Die Vorstellung, von Flensburg bis Passau würde nun im Zuge der Standortschließungen eben gejammert, darüber müsse man sich aber aufgrund des Zwanges zur Effizienzsteigerung generell hinwegsetzen, wäre zu pauschal und ließe die gebotene Sorgfalt für derart harte Entscheidungen vermissen. Es ist ja durchaus möglich, dass dabei einzelne Standorte weit überdurchdurchschnittlich hart getroffen werden. Genau dies scheint uns bei der Standortschließung Osterode der Fall zu sein: Diese ist aus unserer Sicht vollständig inakzeptabel.
Der Landkreis Osterode hat durchaus Erfahrungen mit auch harten Standortentscheidungen. Die Privatisierung unserer Kreiskrankenhäuser, die wir als erster Landkreis in Niedersachsen durchgeführt haben, wird verbunden sein mit der Aufgabe des Krankenhauses in der Kreisstadt Osterode. Dass die FWG diese Entscheidung intensiv mit vorangetrieben hat, obwohl wir 84% unserer Stimmen in der Kreisstadt geholt haben, zeigt im Übrigen, dass wir von Lokalpatriotismus und Anwendung des St. Florians-Prinzipes wenig, von sachgerechten Entscheidungen dagegen viel halten. Die Zentralisierung der berufsbildenden Schulen in Osterode wird verbunden sein mit der Schließung der Standorte in Bad Lauterberg und Herzberg. Beide harten Entscheidungen sind nach meinem Eindruck von den Einwohnern akzeptiert, was ich darauf zurückführe, dass die entsprechenden Entscheidungen transparent und nachvollziehbar begründet wurden. Genau dies erwarte ich nun auch von Ihnen. Die ersten wirtschaftlich positiven Signale im Landkreis Osterode sind spürbar u. a. auch als Folge hart erarbeiteter, berechenbarer kommunalpolitischer Entscheidungen auf Kreisebene. Dies alles droht nun wieder zunichte gemacht zu werden durch Ihre Entscheidung, die sich bereits jetzt auswirkt, da Investitionsentscheidungen naturgemäß immer mit Erwartungen in die Zukunft verbunden sind.
Ich kann mich auch als Steuerzahler nur wundern, dass noch vor kurzem erhebliche Investitionen in den Bundeswehrstandort durchgeführt wurden (Ausbau der Schießanlage, Kanalisationsnetz usw.), die nun entwertet werden. Ich kann mich ferner nur wundern, dass Sie Ihre in der jüngsten Ausgabe des Spiegel offenbar werdenden Rekrutierungsprobleme dadurch lösen wollen, indem Sie ausgerechnet den letzten Standort in Südniedersachsen schließen wollen, der nie Rekrutierungsprobleme hatte. Die Zahl der männlichen Jugendlichen im Alter von 6-10 Jahren ist bekanntlich eines Ihrer auch militärfachlich begründbaren Kriterien. Und ich kann mich drittens nur wundern, wie Sie eigentlich Ihre in der jüngsten Ausgabe des Spiegels beschriebenen Finanzprobleme lösen wollen, wenn Sie beim Standort Osterode eine Kaserne schließen, die sich meinem Eindruck nach nicht wird verwerten lassen, sondern Ihnen im Gegenteil sogar noch Folgekosten verursachen wird.
Vor diesem Hintergrund darf ich Sie bitten, Ihre Entscheidung gegen den Standort Osterode zu revidieren - da jeder Tag, der nun vergeht, schlecht ist für das Investitionsklima hier, sollte das unverzüglich geschehen. Ich erwarte insofern, dass Sie jetzt Ihre volle Aufmerksamkeit auf den Standort Osterode richten. In jedem Fall aber erwarte ich von Ihnen, dass Sie uns Ihre Entscheidung einmal anhand der Fakten (Anwendung des Kriterienkataloges) konkret erläutern.
FWG Osterode Stadt/Kreisverband
i. A. Dr. Wolfgang Wegener, Vorsitzender
Dr. Wolfgang Wegener am 4. Februar 2001 zur angeblichen Alternative Osterode oder Wesendorf (Leserbrief) (→ Tagebucheintrag)
Wenn derartige Unterstellungen nun die Diskussion bestimmen sollten, anstatt dass die wesentlichen Fakten anhand eines festgelegten Kriterienkataloges diskutiert werden, dann hielte ich das für unangemessen angesichts dessen, was für Osterode und Südniedersachsen, aber auch für den Landkreis Gifhorn auf dem Spiel steht - für Osterode wären das 939 wegfallende Dienstposten. Die letzte Zuständigkeit liegt ohnehin weder in Gifhorn noch in Osterode, auch nicht bei einer vermuteten Harz-Connection, sie liegt in Berlin.
Anmerkung: Der offene Brief an den Verteidigungsminister blieb unbeantwortet - der Kampf um den Erhalt des Panzergrenadierbatallions 12 in der Rommel-Kaserne war letztlich erfolglos. Zu unseren Überlegungen hinsichtlich der Frage möglicher Nachnutzungen der GFM-Rommelkaserne und des Bundeswehrgeländes in Osterode beachten Sie bitte den Menüpunkt "Kommunalwahl 2001 - Konzept zur Stadtentwicklung vom 25. 4. 2001".
Update Sept. 2015 14 Jahre später, 14 Jahre Nichtstun: Nun gibt es Pläne des Landes, aus der Kaserne eine Erstaufnahmelager für Asylbewerber zu machen (Bericht).
Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für Hinweise sind wir dankbar. Die Druckversion dieses Artikels enthält weitere Kontaktmöglichkeiten.
FWG Osterode
URL: http://www.fwg-osterode.de/bundeswehr-scharping.htm
Kontakt: Dr. Wolfgang Wegener, Falkenweg 6, 37520 Osterode,
Tel. 05522-72609, Fax 05522-506378. Mail: wegener@fwg-osterode.de