ich habe den Begriff Stadtmarketing das erste mal im Jahr 1999 gehört, und konnte damit
zunächst nicht recht etwas anfangen. Nach einiger Überlegung begann die Angelegenheit aber ihren Reiz zu
entwickeln: Erst eine gut entwickelte Stadt lässt sich gut vermarkten, und mit der Entwicklung der Stadt
befassen wir uns eigentlich im Rat immer: Aufstellung von Bauplänen, Entscheidung über den Einsatz
knapper finanzieller Resourcen, der Umgang mit Investoren, die sich eine Stelle ausgeguckt haben, an der sie
z.B. ein Einkaufszentrum errichten wollen usw. .Dies alles geschieht aber eigentlich aus dem Tagesgeschäft
heraus: Probleme tauchen auf und werden eben gelöst. Wäre es aber nicht gut, wenn man eine
längerfristige Vision von der Stadt entwickeln würde, die Zukunftsprobleme vorausschauend identifizieren
könnte, um zielgerichtet und aktiv planen zu können?
Versagen des politischen
Wettbewerbs in Osterode
Im Kommunalwahlkampf 2001 war das Thema Stadtentwicklung dann das
zentrale Thema der FWG-Kampagne - ich erinnere hier nur z. B. an unseren Plan, ein Viersterne-Tagungshotel
an die Stadthalle anzugliedern oder nach dem Motto: "Tagen und Schulen in der Mitte Deutschlands" die
vorhandenen Resourcen in der Stadt zu nutzen, um Potentiale zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Bereich
Dienstleistung besser ausschöpfen zu können. Es stellte sich allerdings heraus, dass der Ansatz, die Probleme
im politischen Wettbewerb lösen zu wollen - eine politische Gruppe macht Vorschläge in der Hoffnung, dass
politische Mitbewerber sich bemühen, noch bessere Vorschläge zu machen - nicht funktioniert hat: Wer heute
in der Suchmaschine Google nach Stadtentwicklung Osterode fragt, erhält 322 Antworten, auf Platz eins und
zwei die Vorschläge der FWG. Das war es auch schon hinsichtlich der Vorschläge politischer Parteien in der
Stadt zu diesem Thema.
Nach Einbeziehung weiterer Akteure eine Fülle von
Vorschlägen
Als dann die Idee aufkam, die Angelegenheit auf breitere Füße zu stellen, und die Firma
GMA mit der Entwicklung eines Stadtmarketing-Konzeptes zu beauftragen, war ich gleichwohl zunächst
skeptisch. Wenn bei mir zu Hause etwas kaputt ist, versuche ich es erst mal selbst, ehe ich die Handwerker
hole, und im politischen Raum plädiere ich erst mal für den Einsatz von Bordmitteln, ehe ich nach teueren
Gutachtern rufe. In diesem Fall aber, und das kann im nachhinein sicher gesagt werden, hat sich dieses
Gutachten wirklich gelohnt. Es war ja im Wortsinn gar kein Gutachten, sondern die Moderierung eines
Prozesses, wobei die Ideen von den lokalen Akteuren kommen sollten. Das hat - wie ich finde - hervorragend
funktioniert, es wurde eine Fülle von ganz konkreten Vorschlägen entwickelt, die teilweise bereits umgesetzt
wurden. So gibt es seit kurzem einen Ansprechpartner für die Wirtschaftsförderung ("Kontaktstelle Wirtschaft").
Organisatorisch und personell hervorragend umgesetzt, funktioniert dies sehr gut insbesondere in Kooperation
mit dem Wirtschaftsförderer des Landkreises - vorhandene Animositäten zwischen Stadt und Landkreis wurden
dabei abgebaut. Hauptaugenmerk muss auf die Pflege des Bestandes an Wirtschaftsunternehmen gelegt
werden - die Ansiedlung von neuen Unternehmen wird wohl leider die Ausnahme bleiben - und dies ist eine
klassische Aufgabe der Stadt. Die Etablierung eines hochwertigen Viersterne - Hotels unterstützen wir
selbstverständlich, und die "Prüfung" der Umwidmung des Rollbergs zur verkehrsberuhigten Zone ist etwas
anderes, als den Rollberg gleich für den Autoverkehr freizugeben. Die FWG legt auf das Wort "Prüfung" großen
Wert: Geprüft werden soll, ob nach Freigabe des Rollbergs für den Autoverkehr tatsächlich eine Chance
besteht, dass dort das Geschäftsleben wieder aufblüht.
Ich habe an allen Arbeitskreisen im Rahmen
des Stadtmarketing-Prozesses teilgenommen, wir waren dort natürlich nicht immer alle einer Meinung. Mal war
ich auf Seiten der Mehrheit, mal auf Seiten der Minderheit. Ich habe jedenfalls für die FWG die vorhandenen
Chancen genutzt und werde nun auch das Ergebnis mittragen. Ich stimme dem Beschlussvorschlag zu und
nehme das Ergebnis des Stadtmarketingprozesses zustimmend zur Kenntnis.
Hauptkritikpunkt: Osteroder Stadtleitbild
Lassen Sie mich gleichwohl auf einen meiner Hauptkritikpunkte eingehen,
der Formulierung des Stadtleitbildes nämlich: "Netzwerk Osterode - Kooperationsmodell am Harz". Ich
habe für den nach zwei Sitzungen des Arbeitskreises "Stadtleitbild" von der GMA entwickelten Titel "Stadt der
Generationen" vehement gestritten, mich damit in der dritten und letzten Sitzung dieses Arbeitskreises
aber nicht durchsetzen können. Es kam in dieser dritten Sitzung Kritik auf, das klinge zu sehr nach
"Überalterung". Ein Leitbild ist aber kein Werbeslogan (da präferiere ich "Osterode am Harz - beschaulich
und innovativ", welcher die Fachwerkstadt mit den innovativen Weltmarkführern am Stadtrand kombiniert),
ein Leitbild ist vielmehr eine interne Zielvorgabe. Und da ist klar, was die Aufgabe ist: Die Stadtbevölkerung
wird in zehn
Jahren älter geworden sein und sie wird geschrumpft sein. Ob einem dies gefällt oder nicht: das ist der
wahrscheinlichste Fall, und wer sich an Wunschvorstellungen orientiert, wird falsch planen. Es ist so wie
zu Hause, wenn die Kinder aus dem Haus gehen: Einige Jahre lässt man die Kinderzimmer noch so, wie sie
sind, dann belegt man sie mit neuen Funktionen. Darin liegt ja auch eine Chance, und auf Osterode bezogen,
steht mit hoher Wahrscheinlichkeit fest: Die Kinder gehen aus dem Haus, wir müssen die Stadt den neuen
Bedürfnissen einer älter werdenden Bevölkerung anpassen. Und da haben wir ja fast ein
Alleinstellungsmerkmal, denn in unserer Region Osterode haben wir hinsichtlich der Probleme durch den
demographischen Wandel, denen
sich bald alle stellen müssen, einen Vorlauf von etwa 10 Jahren, den wir nutzen sollten, um die gesammelte
Erfahrungen dann nutzen zu können, wenn der Kampf um Einwohner wirklich hart werden wird. "Stadt der
Generationen" bedeutet aber auch, den Versuch zu unternehmen, der prognostizierten auch demographisch
bedingten Abnahme des Anteils junger Menschen entgegenzuwirken und die Stadt attraktiv auch für junge
Familien mit Kindern zu halten bzw. zu machen.
Die jetzt
als kleinster gemeinsamer Nenner vorgeschlagene Formulierung "Netzwerk Osterode - Kooperationsmodell am
Harz" halten wir für eher nichtssagend - sie beschreibt nicht ein anzustrebendes Ziel, sondern lediglich den
Weg dorthin.
Stadtmarketing Osterode beginnt jetzt erst
Im Ergebnis stelle ich fest:
Die GMA wird uns nun ins kalte Wasser werfen, wir werden Stadtmarketing nun ohne Anleitung von außen
weiterführen. Die FWG ist dazu bereit. Wir haben uns alle besser kennen gelernt, einige der Vorschläge stammen
z. B. aus dem Arbeitskreis der WEGO (im Wesentlichen der Osteroder Einzelhandel) , vorhandene Gräben
wurden dabei zugeschüttet. Ich gehöre nicht zu denen, die zugeschüttete Gräben wieder aufreißen wollen und
freue mich auf diese Kooperation.
Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für
Hinweise sind wir dankbar. Die Druckversion
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