FWG Osterode am Harz Politik für Stadt und Landkreis - Daten, Fakten, Konzepte. |
der Rat wird heute voraussichtlich mit großer Mehrheit beschließen, den Bebauungsplan Nr. 74 als Satzung zu beschließen und damit den Schlusspunkt unter eine Planung setzen, die spätestens mit einem Gutachten des Investors Kreiswohnbau aus dem Jahre 1998 ihren Anfang nahm: Auf dem Gebiet des ehemaligen Industriestandortes DeTeWe soll ein weiteres Einkaufszentrum errichtet werden. Während der Planungsphase ließ die Stadt Osterode durch die icon Regio GmbH ein eigenes Gutachten erstellen, welches im wesentlichen die Voraussetzungen zu der am 9. 7. 2000 bereits vom Rat beschlossenen 1. Änderung des F-Plans der Stadt schuf, die dort nun großflächigen Einzelhandel statt wie bisher Schulnutzung vorsah.
Die FWG-Fraktion wünscht keine weitere Verlagerung von Einkaufsflächen an den Stadtrand, wir haben daher die F-Plan Änderung abgelehnt. Unsere Fraktion wird aber selbstverständlich Mehrheitsentscheidungen respektieren. Wir werden daher dem heute als Satzung zu beschließenden B-Plan Nr. 74 zustimmen, allerdings nur, wenn er geändert wird. Lassen Sie es mich ganz offen sagen: Der Änderungsvorschlag wird so gravierend sein, dass er das Vorhaben für einen Investor unattraktiv machen dürfte, er ist aber rechtskonform und auch sehr gut begründbar.
Wir beziehen uns bei unserem Änderungsvorschlag auf die Festsetzungen hinsichtlich der im B-Plan Nr. 74 festgesetzten Branchen, nämlich 900 qm Elektrofachmarkt, 200 qm Drogeriefachmarkt, 400 qm Textildiscounter, 750 qm Lebensmitteldiscounter (Aldi), 450 qm Tierfuttermarkt, zusammen 2 700 qm.
Derartige Branchen- bzw. sortimentsbezogenen Festsetzungen sind zulässig, sie haben auch bei einem Besitzer - oder Eigentümerwechsel der Verkaufsflächen Bestand. Ich zitiere aus einem Kommentar zum §11 Abs. 3 BauNVO: "Neben einzelnen Wirtschaftszweigen(Branchen) ... können auch bestimmte Sortimente als allein zulässig festgesetzt werden. ... Eine derart konkrete .. Festsetzung bedarf einer eingehenden städtebaulichen Begründung, die i.d.R. nur durch ein spezielles Gutachten zur Lage des Einzelhandels in der Gemeinde .. belegt werden kann."
Die Festsetzungen dürfen also nicht willkürlich erfolgen. Dass die vorgeschlagenen Verkaufsflächen branchenbezogen exakt den Ergebnissen des Gutachtens der Kreiswohnbau aus dem Jahr 1998 und damit den wirtschaftlichen Interessen des Investors entsprechen, dass reicht selbstverständlich als Begründung nicht aus, gerade deshalb wurde ja das bereits erwähnt icon - Gutachten von der Stadt in Auftrag gegeben. Ich zitiere S. 57 dieses Gutachtens: "Eine direkte Notwendigkeit zur Realisierung des Projektes besteht auf Basis der Einzelhandelsstrukturanalyse nur im Bereich Elektroartikel. Es sollten klare Festsetzungen im Bebauungsplan getroffen werden, um die weitere Ansiedlung von Betrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten zu steuern. In Teilbereichen bietet sich als Ersatzstandort, für den Fall, dass Leege nicht realisiert wird, der Bereich Bahnhofsstraße an". Zitat Ende.
Ich stelle fest: Die im §11 Abs. 3 geforderte gutachterliche Begründung für eine branchenweise Festsetzung von Verkaufsflächengrößen liegt ausschließlich für die 900 qm Elektrofachmarkt vor. Diese Festsetzung wird die FWG-Fraktion heute auch hinnehmen. Die restlichen Verkaufsflächen werden wir als unbegründet und unbegründbar ablehnen. Wird diesem Änderungsantrag nicht zugestimmt, werden wir dem B-Plan Nr. 74 unsere Zustimmung versagen.
Wir lehnen dieses Einkaufszentrum ab, weil es mit Sicherheit schädliche Auswirkungen haben wird, ohne dass entsprechender Nutzen erkennbar ist; schädliche Auswirkungen insbesondere auf das Apenke-Zentrum, welches zentral und existentiell angegriffen werden wird. Wir gehen davon aus, das Aldi wechselt, möglicherweise auch Schlecker, auch andere in der Leege dort vorgesehenen Branchen sind im Apenke-Zentrum bereits vorhanden. Zwar stellt die Verwaltung in einer Stellungnahme zum Einwand von Haus-und Grund schriftlich fest: "Eine Umsiedlung der Firmen Schlecker und Aldi ist nicht geplant". Dass dies eine krasse Fehlinformation sein dürfte, wird unserer Auffassung nach bereits die nahe Zukunft zeigen. Gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit ein Wort zur Rolle der Interessenverbände in dieser Frage. Zur F-Plan Änderung, die die entscheidende Voraussetzung geliefert hat, gab es sage und schreibe keinen einzigen Einwand aus Osterode, zur B-Plan Änderung lediglich den Einwand von Haus-und Grund, verbunden mit dem Wunsch, dort einen Freizeit-Park anzusiedeln. Für einen Verein, der immerhin seinen Mitgliedern Rechtsberatung anbietet, eine bemerkenswerte Fehlleistung. Dieser Einwand ist rechtskonform nicht umsetzbar, weder aufgrund des alten noch aufgrund des geänderten F-Plans: Dieser Einwand hätte im Anhörungsverfahren zur F-Plan-Änderung kommen müssen. Ich hätte ein gewisses Verständnis, wenn sich diejenigen, die in der Innenstadt ihre Häuser vermieten möchten, diejenigen, die dort Einzelhandel betreiben, sich von diesen Interessen-Vertretern verraten und verkauft vorkommen würden, von der WEGO liegt ja gar kein Einwand vor. Die Ratsfraktion der FWG vertritt die Interessen aller Einwohner, - darauf komme ich gleich -, also nicht nur spezieller Lobbys, wir hätten uns in unserem Kampf gegen dieses Einkaufszentrum allerdings durchaus mehr Unterstützung gewünscht. Wer aus dem bürgerlichen Lager hier im Rat vertritt eigentlich eine Position, die für Hausbesitzer und Einzelhändler wirklich wählbar ist? Auch diese Leute wollen bei der nächsten Wahl wirklich eine Wahl haben.
Nachdem ich die schädlichen Auswirkungen dargelegt habe, komme ich zum potentiellen Nutzen aus Sicht der Verwaltung. Kopplungskäufe mit der Innenstadt - verursacht durch Kaufland (auf äußerst dürftiger Faktengrundlage begründet) dürften sich tendenziell verstärken durch dieses Einkaufszentrum? Was soll das eigentlich heißen? Jemand kauft bei Kaufland einen Liter Milch, anschließend schmeißt er bei Teichert noch schnell die Waschmaschine in den Kofferraum, dann kauft er bei Kressmann ein? Eine direkte "Notwendigkeit" zur Realisierung des Projektes besteht im Bereich Elektroartikel, schreibt die Verwaltung. Leben wir hier eigentlich in der DDR und haben Versorgungsengpässe? Ist es wirklich schwierig, in der Stadt den Dritt-Fernseher oder der Fünft-CD-Player für die Kinder einzukaufen? Unserer Auffassung werden hier die Begründungen an den Haaren herbeigezogen, unserer Auffassung nach knickt der öffentliche Sektor wieder einmal vor wirtschaftlichen Interessen ein. Baubeginn ist der 4. Oktober, teilte der Investor vor geraumer Zeit mit - der Rat muss also nur noch in die Strümpfe kommen - tatsächlich scheint der Investor im übrigen schon mal losgelegt zu haben.
Lassen Sie mich zum Schluss eine einfache Frage stellen: Was ist wichtiger: Am Stadtrand billig einkaufen oder Lebensqualität in der Innenstadt? Angesichts zahlreicher Verkaufsflächen am Stadtrand fällt die Antwort leicht. Es ist insbesondere auch angesichts der aktuellen Diskussion über steigende Öl - und Benzinpreise, der unbestreitbaren ökologischen Auswirkungen von mehr Verkehr wirklich absurd, eine Entwicklung fortzusetzen, die das Gegenteil von dem bedeutet, was wir wollen sollten: Hin zur wohnortnahen Versorgung und nicht immer weiter weg von ihr. Wollen wir wirklich eines Tages alten Leuten, Leuten ohne Führerschein sagen müssen: Ihr seid zu wenige, euch haben wir leider ganz vergessen bei den Effizienzsteigerungen, richtig, ihr müsst ja auch zu essen einkaufen? Jetzt hat die Lebensqualität für uns Vorrang, und Lebensqualität, das ist die Innenstadt, das Schwätzchen im Fachgeschäft, auf dem Kornmarkt, auch in der Eisdiele. Auch die Gastronomie hängt ja am Leben der Geschäfte in der Innenstadt, das sind die wahren Kopplungseffekte. Billig einkaufen kann man in Osterode mittlerweile an genug Stellen.
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