Dr. Wolfgang Wegener (FWG)
im Stadtrat (Redemanuskript)
Von der Kameralistik zur Doppik - Der Systemwechsel
Anrede,
der Haushalt 2007 steht ohne Zweifel im Zeichen des
Übergangs von der kameralen Haushaltsführung auf das Neue Kommunale Rechnungswesen, hier kurz
Doppik genannt.
Erhöhung der Transparenz
War die zentrale Frage des
kameralen Haushaltes, ob die vorhandenen Zahlungsmittel reichen, so sollen im nun vorliegenden erstem
doppischen Haushalt drei weitere Fragen beantwortet werden, nämlich in der Bilanz die Frage, wie vermögend
die Stadt ist, in der Ergebnisrechnung die Frage, wie erfolgreich gewirtschaftet wurde und in der Kosten- und
Leistungsrechnung (KLR) die Frage, was eine städtisches Produkt, eine Dienstleistung tatsächlich kostet.
Durch Erfassung der Vermögenswerte und der Abschreibungen wird erstmals im Haushalt deutlich, ob wir
nachhaltig wirtschaften oder auf Kosten unserer Kinder leben. Viele Bürger dürften überrascht sein, wie
wenig wir bisher im Grunde gewusst haben. Die Einführung der Doppik war ein längst überfälliger Schritt.
Gewonnene Erkenntnisse müssen auch angewendet werden
Bisher wussten
wir also lediglich, ob die Finanzmittel ausreichen und die Antwort darauf war seit 2000 ganz einfach: Nein, tun
sie nicht. Und das jeweils vorgeschriebene Haushaltskonsolidierungskonzept besagte: Auch in Zukunft werden
wir mit dem Geld nicht auskommen. Jetzt werden wir immerhin erfahren, woran es liegt und können z. B. der
Bilanz entnehmen, in welchem konkreten Umfang wir von der Substanz leben und was auf unsere Kinder
zukommt. Mit diesem Erkenntnisgewinn allein ist allerdings der Haushalt noch nicht konsolidiert. Solange
der Wille fehlt, die gewonnenen Erkenntnis auch tatsächlich anzuwenden, leben wir eben weiter auf Kosten
unserer Kinder.
Anlaufschwierigkeiten
Soviel zur Theorie, nun zur Praxis. Auf
einer Doppik-Informationsveranstaltung vom 14. September letzten Jahres für Ratsmitglieder und
Verwaltungsmitarbeiter wurden die Projektphasen und Arbeitsschritte des Projektes vorgestellt. Zu diesem
Zeitpunkt sei das unbewegliche und bewegliche Vermögen erfasst und bewertet, so der Referent der
Beratungsfirma Doppik.com, die Daten seien in der Anlagebuchhaltung bereits enthalten. Die
Haushaltsstrukturen (Produkte) seien erstellt, der Haushalt werde am 16. November eingebracht, die
Produktverantwortung sei zugeordnet, die KLR-Grundlagen seien erarbeitet. Die DV-Implementierung werde
zum 1. 1. 2007 abgeschlossen sein, ab dann gehe es "lediglich" noch um die Stabilisierung des Echtbetriebes.
Der nun zu diskutierende Haushaltsentwurf zeigt, dass wir weit hinter diesem Zeitplan liegen. Die Bilanz
fehlt - sie wird für Mitte bis Ende 2007 erwartet, die Kosten- und Leistungsrechnung fehlt und den gewohnten
kameralen Haushalt haben wir auch nicht mehr. Vergleiche mit dem Vorjahr oder interkommunale Vergleiche
sind gar nicht oder nur mit Einschränkungen möglich. Wer es gewohnt ist, Haushalte abzunicken und
durchzuwinken, wird auch mit diesem Haushalt kein Problem haben, wer es dagegen gewohnt ist, gründlich zu
analysieren, befindet sich mit diesem Haushalt praktisch im Blindflug. An diesem Haushalt muss noch viel
gearbeitet werden. Die Definition aussagekräftiger Kennzahlen für die Kosten- und Leistungsrechnung ist nur
ein Beispiel unter vielen. Da sind wir alle gefordert, und auch ich werde mich hier einbringen. Die
Aussagefähigkeit des nächsten Haushaltes muss deutlich gesteigert werden.
Licht und
Schatten
Soweit es möglich war, habe ich diesen Entwurf geprüft. Auch wenn ich sicherlich nicht mit
allem einverstanden bin - so fährt z. B. mit einem städtischen Zuschuss von 54 700 Euro ein überwiegend
leerer Stadtbus durch Osterode, auch halte ich nicht alle Personalstellen für wirklich zwingend notwendig - so gibt
es für mich auch positive Ansätze z. B. im Kinder- und Jugendbereich oder auch beim Investitionsprogramm der Feuerwehren, die mich in einer
Abwägung bewogen haben, aus der eigentlich beabsichtigten Enthaltung eine Zustimmung zu machen.
Schließlich braucht die Stadt ja einen Haushalt, und ich denke, nachdem nun der Anfang gemacht ist, lässt
sich der nächste Haushalt dann auch wieder gewohnt kritisch und detailliert analysieren vor allem hinsichtlich
der Strukturen, die ich nach wie vor für falsch halte.
"Haushaltssicherungskonzept" endet
mit Rekorddefizit
Das Haushaltssicherungskonzept allerdings werde ich ablehnen: In ihm ist
"festzulegen, innerhalb welchen Zeitraumes der Haushaltsausgleich erreicht werden kann, wie der
ausgewiesene Fehlbetrag abgebaut und wie das Entstehen eines neues Fehlbetrages in künftigen Jahren
vermieden werden soll", so die Anforderung der NGO. Keine Rede davon im vorgelegten
Haushaltssicherungskonzept, das Gesamtergebnis wird im Zeitraum bis 2010 immer negativ sein und
2010 dann sogar mit 7,224 Mio. Euro Rekordhöhe erreichen. Selbst das interne Ziel, das Defizit jährlich um
500 000 Euro abzubauen, wird in dieser "Agenda 2010" nicht erfüllt sein. Allein für den Stadtbus werden
sich von 2007 bis 2010 218 800 Euro zusammengeläppert haben. Im letzen kameralen
Haushalt hieß diese Position übrigens noch "Zuschuss Kreisverkehrsbetriebe", jetzt heißt sie wenig
aussagekräftig "Transferaufwendungen", und das ist bei weitem nicht das einzige Beispiel mangelnder
Transparenz. Vielleicht ist es möglich, im nächsten Haushalt die Bezeichnungen aussagekräftiger zu gestalten.
Wie auch immer: Wer praktisch leere Busse herumfahren lässt und halbleere Schulen weiterbetreiben will,
der kann vielleicht Wahlen gewinnen, nicht aber den Haushalt ausgleichen. Ich kann nur hoffen, die
Verantwortlichen, haben sich nicht nur überlegt, wie sie Wahlen gewinnen können, sondern auch, warum sie
überhaupt Wahlen gewinnen wollen. Wahlen zu gewinnen ist kein Selbstzweck.Fest steht
jedenfalls, dass die SPD-Mehrheitsfraktion sich seit 2000 als unfähig erwiesen hat, den Haushalt
auszugleichen, und dies angesichts von Einnahmen, von denen Ihr Vorgänger, Herr Bürgermeister, nur
träumen konnte.
Dank an Kämmerei für Begleitung bei Umstellung
Bedanken möchte ich mich in diesem Jahr beim Kämmerer. Für die massiven Computer- und
Softwareprobleme, die maßgeblich zu dem Zeitverzug beigetragen haben, kann er ja nichts. Ich habe in
mehreren Gesprächen innerhalb der Haushaltsberatungen den festen Willen festgestellt, den Haushalt 2008
aussagekräftiger gestalten zu wollen , um damit das gewaltige Potential der Doppik dann auch wirklich nutzen
zu können. Ich zumindest werde versuchen, mittels der erhöhten Transparenz die Osteroder davon zu
überzeugen, dass es so nicht weitergehen kann. Das setzt natürlich Interesse der Bürger an Kommunalpolitik
voraus. Ohne dieses Interesse allerdings kann ohnehin keine wahre Demokratie und kein echter Rechtsstaat
dauerhaft Bestand haben.
Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für
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