FWG Osterode am Harz Politik für Stadt und Landkreis - Daten, Fakten, Konzepte. |
Anrede,
dies ist der letzte Haushalt der Wahlperiode 2001 bis 2006. Zeit, Bilanz zu ziehen und Zukunftsaufgaben zu formulieren. Tatsächlich sind diesmal sogar zwei Bilanzen zu ziehen, da ab dem 1. Juni 2004 die Eingleisigkeit eingeführt wurde und ein erfahrener Verwaltungsjurist durch einen "Mann der Wirtschaft" ersetzt wurde.
Zunächst möchte ich einfach mal die Zahlen für sich selbst sprechen lassen. Das Defizit 2001 betrug 770 384 €, 2004 verabschiedete sich der Stadtdirektor mit 1,4 Mio. Euro in den Ruhestand (unter Berücksichtigung eines gebildeten Haushaltsrestes für die Gewerbesteuerumlage trat mit nur 0,2 Mio. Euro Defizit sogar eine Verbesserung ein), und das heute vom Bürgermeister vorgelegte Defizit beträgt 7 Mio. Euro. Etwas anders sieht das Bild aus, wenn man die Entwicklung der strukturellen Defizite betrachtet, also Rücklagenentnahmen und Veranschlagung von Verlusten der Vorjahre unberücksichtigt lässt. Das strukturelle Defizit betrug 2001 1,5 Mio. Euro, der Stadtdirektor verabschiedete sich 2004 mit 503 000 Euro (unter Berücksichtigung eines zur Zahlung der Gewerbesteuerumlage gebildeten Haushaltsrestes in Höhe von 1,24 Mio. Euro wurde 2004 strukturell sogar ein Überschuss erwirtschaftet), und 2006 sind strukturell 5,6 Mio. Euro Zuschussbedarf veranschlagt. Der Bürgermeister bittet damit heute um Zustimmung zum höchsten strukturellen Defizit in der Geschichte der Stadt Osterode am Harz, und dies bei einem abundanten Haushalt. Das Wort abundant leitet sich ab vom lateinischen abundare = Überfluß haben, und was da überläuft und überquillt, das sind Steuereinnahmen. Da wir von den Einnahmen her also in Saus und Braus leben könnten, erhält die Stadt keine Schlüsselzuweisungen, sondern zahlt aufgrund der Steuereinnahmen, die unseren im Finanzausgleich ermittelten Bedarf weit überschießen, 595 800 Euro in den Finanzausgleich sogar ein.
Soviel zu den Fakten, nun zur Behauptung der Verwaltung, man befinde sich mit diesem Haushalt planmäßig auf dem Kurs der Haushaltsgesundung. Begründet wird dies damit, dass die hohen Steuereinnahmen der Jahre 2004 und 2005 erst jetzt bei den Umlagen wirksam werden, und die entsprechenden Mehrausgaben eigentlich vom Defizit abgezogen werden müssten. Man habe dafür - anders als in der "freien" Wirtschaft möglich - keine Ausgabereste bilden können. Beim Nachtrag 2005, bei dem die Verwaltung hier ja gejubelt hat, alles liefe perfekt nach Plan, war von derartigen Feinheiten allerdings noch nicht die Rede. Die Verbesserung des strukturellen Defizites um 500 000 Euro im Nachtragsplan 2005 wurde voll eigenen Konsolidierungsanstrengungen zugeschoben, obwohl klar war, dass das dicke Ende noch kommen würde. Aber mal abgesehen davon: Den Plan des Bürgermeisters, das strukturelle Defizit im Nachtragsplan 2004 von 3,6 Mio. Euro jährlich um 500 000 Euro abzubauen, um so 2011 strukturell der Haushaltsausgleich zu erreichen, halte ich für ebenso fragwürdig wie den Vergleich mit der Wirtschaft - wir sind nicht in der Wirtschaft. Wie skurril es ist, eine derartig langfristige Planung auf Planzahlen zu basieren, zeigen die tatsächlichen Zahlen im Abschluss 2004: Da schrumpfte nämlich strukturell das Plandefizit von 3,6 Mio. Euro im Nachtrag 2004 bis zum Jahresende auf 503 000 Euro im Abschluss (tatsächlich wurde sogar strukturell ein Überschuss von 700 000 Euro erwirtschaft), und das gesamte bis 2011 abzubauende Defizit hatte sich sozusagen innerhalb weniger Monate selbst wegkonsolidiert. Die wahre Messlatte für den Bürgermeister ist der strukturelle Überschuss im Abschluss des letzten noch vom Stadtdirektor maßgeblich zu verantwortenden Haushaltsplan 2004. Das ist Ihr Erbe, nicht die 3,6 Mio. Euro Defizit in irgendeinem Nachtragsplan.
Was ist zu tun? Ein ordentliches Konzept setzt eine saubere Analyse voraus. Liegen die Gründe für das aktuelle Rekorddefizit bei zu geringen Einnahmen, bei zu hohen Ausgaben oder bei beidem gleichzeitig?
Hinsichtlich unserer Steuereinnahmen - 2006 sind 19,8 Mio. Euro veranschlagt, im Abschluss 2004 waren dies 22,3 Mio. Euro, liegen wir 3 Mio. Euro über dem für unsere Stadt ermittelten Finanzbedarf. Dazu kommen sozusagen als Sahnehäubchen noch Netto-Einnahmen von Harzenergie im Haushalt der WIBO von 4,8 Mio. Euro. Grundsätzlich könnten diese Mittel ja zur Haushaltsverstärkung eingesetzt werden. Allein dieses Sahnehäubchen entspricht fast den gesamten Einnahmen der SG Walkenried (57 Planstellen) im Verwaltungshaushalt (6,5 Mio. Euro). Nach einer Übersicht des NLS über das Jahr 2004 ist Osterode mit 823 Euro pro Einwohner Netto-Steuereinnahmen bei der Steuerkraft einer der Spitzenreiter. In den 79 Städten und SG des ehemaligen Regierungsbezirkes Braunschweig ( Städte Braunschweig, Salzgitter, Wolfsburg, Göttingen und die Städte und SG in den Landkreisen Gifhorn. Göttingen, Goslar, Helmstedt, Northeim, Osterode, Peine) belegt Osterode hinter Wolfsburg mit VW Platz 2, bei den 429 niedersächsischen Städten und SG belegt Osterode Platz 23, bei den Netto-Gewerbesteuereinnahmen sogar Platz 16. Soviel zu unseren Einnahmen, und nun zu unseren Ausgaben.
In der letzten Etatrede hatte ich es als pervers empfunden, für 1,5 Mio. Euro eine Sauna zu bauen und gleichzeitig 15 000 Euro beim Spielzeug in den Kindergärten einzusparen. Letztere Einsparung wurde in diesem Haushalt zurückgenommen. Gut. Ich hatte es zweitens als pervers empfunden, bei diesen gigantischen Einnahmen als einzige nennenswerte Konsolidierungsanstrengung die Grundsteuern zu erhöhen. Dies ist nicht zurückgenommen worden. Nicht gut. Ob wir nun bei den Steuereinnahmen um 3,0 Mio. Euro oder nur um 2,9 Mio. Euro oberhalb des Bedarfs liegen, das Problem scheinen mir eher die Ausgaben zu sein.
Ich habe mich bisher mit öffentlicher Kritik an der Verwaltung zurückgehalten. Heute allerdings sind nicht nur die berühmten 100 Tage Einarbeitungszeit vergangen, sondern 540 Tage, und bei mir hat sich beträchtlicher Ärger angestaut. Da, wo der Stadtdirektor nach einer Verkehrszählung es noch für ausreichend hielt, anstelle einer zu entfernenden Brücke ein paar Steine als Querungshilfe für Fahrradfahrer in die Söse zu werfen, wurde praktisch unmittelbar nach Einführung der Eingleisigkeit die ganze Brücke versetzt und damit dem Wunsch der Ratsmehrheit gefolgt. Da, wo 1 Mio. Euro für die Sauna geplant waren, wurden die Planungen unverzüglich auf 1,5 Mio. Euro angehoben. Der gekündigte Vertrag Stadtbus (Zuschuss knapp 60 000 Euro) wurde mit verdoppelter Linienführung verlängert. Die Stadt bezuschusst im Programm Ökö-Plus im Neubaugebiet Am Breiten Busch Photovoltaik - Anlagen mit 750 Euro. Derartige Anlagen sind ohnehin schon höchstgefördert, kommen uns alle bei der Stromrechnung teuer zu stehen, und dieser Zuschuss wird über Kassenkredite finanziert. Die aus demographischen Gründen zwingend gebotene Anpassung städtischer Einrichtungen an die Einwohnerentwicklung wurde im Fall der Grundschule Dorste nicht vollzogen, und zwar auf Kosten der Grundschulkinder in Dorste und in Förste, wie ich finde. Schließlich hatten die Dorster Unterschriften gesammelt. Sachgerechte Lösungen durchsetzen? Weitere Anstrengungen in dieser Richtung - eigentlich brauchen wir mittelfristig ja nur vier Schulstandorte? Alles Fehlanzeige.
Ich weise seit Jahren auf zu hohe Kosten bei der Straßenbeleuchtung im Vergleich zu Herzberg hin, und habe am 5. 10. 2005, also vor knapp drei Monaten anhand eines Kennziffervergleiches darauf hingewiesen, dass wir hier einwohnerbezogen vier mal teuer sind als Herzberg, mögliches jährliches Einsparpotential 570 000 Euro. Nun müssen und sollen auch die Fakten und die Gründe ermittelt werden, da ein Vergleich zweier kameralistischer Haushalte sicherlich nicht eins zu eins übernommen werden kann. Bis auf ein Gespräch mit Harzenergie ist da meines Wissens nach noch nichts geschehen. Aus meiner Tätigkeit an der Hochschule, insbesondere aber auch in zwei Industrieunternehmen ist mir eine derartige Bierruhe völlig unbekannt: Immerhin ist da möglicherweise ein Leck, aus dem potentiell monatlich 47 500 Euro herauslaufen. Sollte der Grund für diesen Zeitverzug, was ich vermute, in einem "Go Slow" des Energieversorgers liegen, um evtl. fette Konditionen möglichst lange über die Zeit zu retten bzw. sogar auf Vergessen zu hoffen, so kann ich nur sagen: Dies wird nicht stattfinden, ich werde dieses Projekt für den Rest der Wahlperiode mit großer, liebevoller Hingabe weiterverfolgen. Der zuständige Bauamtsleiter soll Druck machen, hat in dieser Sache meine volle Rückendeckung, und ich wünsche ihm die Unterstützung des gesamten Rates. Es sollte ggf. daran gedacht werden, externen Sachverstand zuzukaufen, eine Kündigung des Vertrags ist keinesfalls ausgeschlossen. Ich verlange von Harzenergie, schnellstens nachvollziehbare Fakten auf den Tisch des Hauses zu legen.
Das CDU/FDP regierte Land Niedersachsen hat den Kommunen mehr Spielraum gegeben, eine hauptamtliche Frauenbeauftragte wird nur noch für Landkreise und große kreisfreie Städte vorgegeben. Keine Wort darüber im Haushaltskonsolidierungskonzept der Verwaltung. Insbesondere der CDU, die ja immer wieder in allgemein gehaltener Form massiven Personalabbau verlangt - ihr Bürgermeisterkandidat sprach sogar davon, er werde "vor einem Stellenabbau nicht zurückschrecken" - hat es völlig die Sprache verschlagen. Entweder, das Land gibt den Kommunen mehr Geld oder mehr Spielraum, das ist eine oft erhobene Forderung der kommunalen Spitzenverbände. Nun gibt uns das Land mehr Spielraum, und er wird nicht genutzt. Die Liste möglicher Einsparungen ließe sich fast beliebig fortsetzen. Dass man z. B. Feuerwehren zusammenlegen muss, allein schon, weil bald Nachwuchs in ausreichender Zahl nicht mehr zur Verfügung steht, ist z. B. für mich ebenso klar wie die Tatsache, dass es kaum jemand bemerken würde, wenn es keine Ortsräte gäbe oder der Rat sechs Ratsmitglieder weniger hätte. Weitere Kennziffervergleiche mit Herzberg, die ich natürlich wieder angestellt habe, möchte ich heute nicht vortragen, arbeiten Sie erst mal das ab, was ich bisher vorgetragen habe. Nach wie vor ist der Zuschussbedarf in Herzberg in den Leistungshaushalten 0-7 einwohnerbezogen umgerechnet um 2,5 Mio. Euro niedriger als in Osterode.
Nach alledem ist für mich klar: Das Problem dieser Stadt sind nicht die Einnahmen, sondern die Ausgaben. Der Bürgermeister, die Ratsmehrheit und der Herr K. von der FDP wirtschaften, als ob es kein Morgen gäbe. Ich lehne eine derartige Haushaltswirtschaft strikt ab, deswegen ein klares Nein zum Haushaltsplanentwurf der Verwaltung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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