Kassenkreditermächtigung der Stadt Osterode am Harz
Von Dr. Wolfgang Wegener, Ratsherr der Stadt (FWG)
Zahlungsunfähigkeit in letzter Minute abgewendet
Knapp zwei Monate nach der ersten
Nachtragssatzung brachte die Verwaltung in der Ratssitzung am letzten Donnerstag, dem 25. November den
zweiten Nachtrag ein, der ausschließlich den § 4 (Kassenkredite) der Haushaltssatzung ändert.
Haushaltsrechtlich dienen Kassenkredite dazu, den verzögerten Eingang von Deckungsmitteln (z. B.
Steuereinnahmen) zu überbrücken. Es sind daher keine allgemeinen Deckungsmittel, Kassenkreditermächtigungen
in Höhe von mehr als ein 1/6 der Einnahmen des Verwaltungshaushaltes rechtfertigen den Anfangsverdacht
einer unzulässigen Dauerfinanzierung und müssen daher kommunalaufsichtlich genehmigt werden.
Beschlossen wurde in der Sitzung mehrheitlich, die Kassenkreditermächtigung von 12,6 Mio. Euro (2/6 der
Einnahmen des Verwaltungshaushaltes) auf 16,5 Mio. Euro zu erhöhen.
Der Vertreter der FWG Dr. Wolfgang
Wegener wies darauf hin , dass sonst wahrscheinlich die Dezembergehälter nicht mehr hätten gezahlt werden
können und zeichnete die Entwicklung der Kassenkreditermächtigung nach. Diese habe in den neunziger
Jahren konstant 2,6 Mio. Euro (5 Mio. Mark) betragen, um danach dramatisch zu steigen: 4,1 Mio. Euro im
Jahr 2000, 6,1 Mio. Euro 2001, 6,2 Mio. Euro 2002, 6,8 Mio. Euro 2003, 12,8 Mio. Euro im Grundhaushalt 2004
und nun der Anstieg auf 16,5 Mio. Euro. Die Dramatik werde dadurch deutlich, dass allein der jetzt
beschlossene Anstieg der Kassenkreditermächtigung um 3,9 Mio. Euro, dessen Notwendigkeit die Verwaltung
beim ersten Nachtrag vor knapp zwei Monaten nach Aussage im Finanzausschuss nicht vorhergesehen hat,
das 1,5-fache des gesamten Kassenkreditrahmens in den 90-er Jahre beträgt.
Kassenkredite finanzieren rechtswidrig dauerhaft den Stadthaushalt
Während die
Kassenkreditermächtigung in den 90-er Jahren rechtskonform nur sporadisch in Anspruch genommen wurde -
die gezahlten Zinsen lagen bei ca. 10 000 Euro jährlich - betrugen die Zinszahlungen für die Kassenkredite im
Jahr 2000 52 TEuro, 2001 43 TEuro, 2002 150 TEuro, für 2003 sind 150 TEuro veranschlagt, für 2004 bereits 250
TEuro. Die Kassenkreditermächtigung wird also mittlerweile erheblich und dauerhaft in Anspruch genommen,
was rechtswidrig ist (Verstoß gegen Ausführungsbestimmungen zu §94 NGO). Würden derartige Verstöße
gegen geltendes Haushaltsrecht von den Aufsichtsbehörden nicht seit längerem stillschweigend hingenommen,
wäre der Bevölkerung schon seit Jahren klar, in welch obszönem Ausmaß in diesem Land, aber auch in
Osterode, der einwohnerbezogen einnahmestärksten Gemeinde im Regierungsbezirk, über die Verhältnisse
gelebt wird, und zwar auf Kosten der Zukunft unserer Kinder.
Was Du heute kannst
besorgen...
Zu den Ursachen dieses von der SPD-Fraktion und der FDP im Rat zu
verantwortenden Scherbenhaufens verwies der FWG Vertreter im Rat auf die alte Lebensweisheit:
"Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen". Diese Lebensweisheit habe die Mehrheit,
assistiert von der Gruppe "CDU-Fraktion" seit vielen Jahren missachtet. So könnten z. B. 1,5 Mio. Euro für den kürzlich
beschlossenen Sauna-Ausbau im Spaßbad Aloha (bis auf die FWG stimmten alle anderen zu) nicht mehr zur
Verstärkung des Stadthaushaltes herangezogen werden, da sie ja verbaut werden (Die haushalttechnische
Umsetzung einer derartigen Verstärkung (s. dazu den Berichtspunkt vom 15. 9. 2004) wurde im übrigen vom
Vorsitzenden der Gruppe "CDU-Fraktion" (Realschulrektor) mit der an die Adresse des FWG-Vertreters
gerichteten Bemerkung "Sie schnallen es nicht!" bezweifelt. Dieser weitere Tiefpunkt beim Umgangston im
Rat blieb vom Ratsvorsitzenden (SPD) ungerügt, der anschließend - ohne den Vorsitz
niederzulegen - in die Debatte mit der Bemerkung eingriff, der Ausbau der Sauna sei notwendig, um die Stadt
attaktiver zu machen). Und hätte - als weiteres Beispiel aus jüngster Zeit - die Verwaltung bei Verabschiedung
des ersten Nachtrags geahnt, dass knapp zwei Monate später die Zahlungsunfähigkeit der Stadt unmittelbar
bevorsteht, hätte sie es möglicherweise unterlassen, erfolgreich auf den Abschluss eines neuen Vertrages für
den Stadtbus mit Verdoppelung der Linienführung zu dringen (oder etwa doch nicht?).
In den Wind geschlagen
Dass es
selbstverständlich möglich ist, die Finanzentwicklung auch für wesentlich längere Zeiträume als nur für zwei
Monate vorauszusagen, zeigen unsere Reden zum Haushalt der Stadt Osterode am Harz, die Sie in diesem
Schwerpunkt zum Haushalt der Stadt Osterode finden.
Wir verweisen besonders auf die Rede der FWG-Fraktion vom 20. 12. 2001 zum Haushalt 2002, in der eine
Fünf-Jahres-Bilanz für die Wahlperiode 1996-2001 gezogen wird, aber auch auf unsere gründliche Analyse
vom 28. 1. 2000 zum letzten noch ausgeglichenen Haushalt 2000.
Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für
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