Schlussbericht des RPA
der Stadt Osterode über das Haushaltsjahr 1999
Dr. Wolfgang Wegener (FWG) im Finanzausschuss (Redemanuskript)
Dienstanweisungen massiv missachtet
Anrede,
Wie kann es sein (S. 56 des Prüfberichtes), dass die
ausverkaufte Millenniums-Silvesterfeier in der
Stadthalle zum Jahreswechsel 1999/2000 bei direkten Kosten von 67 243 Mark ohne Berücksichtigung von
Personal- und Raumkosten einen Verlust von 8 293 Mark macht? Diejenigen, die sich einen Eintrittspreis
von 150 Mark pro Person leisten können - sicherlich nicht jeder - haben hier auf Kosten derjenigen gefeiert,
die sich diesen Eintrittspreis nicht leisten konnten, bzw. Schwierigkeiten haben, dorthin zu gehen, weil sie
etwa kleine Kinder zu beaufsichtigen haben. Bei der Kinderaufführung "Heidi" dagegen - das war eindeutig
eine kulturelle Veranstaltung für Kinder und Jugendliche, bei der Defizite vertretbar sind - wurde bei Kosten
von 5044 Mark ein Überschuss von 401 Mark erzielt, ebenfalls ohne Berücksichtigung von Personal-
und Raumkosten.
Durch Auftragssplittung unter die Prüfgrenze
Wie ein roter Faden zieht sich das Treiben von
F4 (Baubetriebshof) durch den Prüfbericht. So moniert das Rechnungsprüfungsamt (RPA) auf Seite
58, dass F4 in Zusammenhang mit der Anschaffung eines
Baggers und eines Großflächenmähers unter Verstoß gegen Ziffer 6 der Gliederungs- und
Gruppierungsvorschriften zur GemHV 4573 Mark falsch verbucht hat ( im Verwaltungshaushalt statt im
Vermögenshaushalt). In der Stellungnahme der Verwaltung zum RPA-Bericht heißt es dazu: "Die anordnende
Stelle war davon ausgegangen, dass nur der Erwerb des Grundgerätes aus dem Vermögenshaushalt zu
bezahlen ist. Die Hinweise werde zukünftig beachtet". Das kann man glauben, man kann es aber auch
lassen. Das RPA hatte nämlich am 6. 10. 99 auf diese Problematik hingewiesen, die einzelnen Fachbereiche
wurden angewiesen, falsch verbuchte Zahlungen in den richtigen Teilhaushalt umzubuchen. Trotz dieses
Hinweises nahm der Fachbericht 4 keine Änderungen vor. Ebenso wurde der Bitte um Stellungnahme vom
17. 8. 1999 nicht gefolgt. Mir fällt da spontan ein bekannter Sponti-Spruch ein. Im Fall des DGH
Riefensbeek-Kamschlacken (S. 60) vergab F4 zwei Aufträge an zwei Firmen jeweils knapp unterhalb der
RPA-Prüfgrenze von 5000 Mark; ein (zurückdatierter) Auftrag wurde mit 4893 Mark, ein anderer wurde
mit 4887 Mark abgerechnet. Ein sachlicher Grund für die Trennung der Aufträge ist laut RPA nicht erkennbar.
Beide Firmen führen die Stadt unter der gleichen Kundennummer, rechnen exakt gleiche Stundensätze ab,
beide Aufträge sind unter zwei fortlaufenden Projektnummern geführt, auftragnehmerseitig hat die gleiche
Person die Wochenberichte unterschrieben. Entgegen der DA Vergabe liegt für die beauftragten
Stundenlohnarbeiten kein Vergleichsangebot vor, kein Vergabevermerk, aus dem erkennbar wäre, warum
gerade diesen Unternehmen der Auftrag erteilt wurde. Die Dienstanweisungen des Stadtdirektors sowie
haushaltsrechtliche Bestimmungen wurden massiv missachtet, so das RPA. Die Frage ist: Wie kann
es eigentlich sein, dass ein Fachbereichsleiter glaubt, sich das trauen zu können? Diese Frage geht an
Sie, Herr Stadtdirektor: Wir haben Ihnen ja im Zusammenhang mit der Luftbuchung Röddenberghalle wiederholt einen glasklaren, bewussten
Verstoß gegen die GemHV vorgeworfen, ohne dass Sie dem
widersprechen konnten.
(Anmerkung: Die Verwaltung wies in der Sitzung darauf hin, dass die Aufsplittung der Aufträge beim
DGH Riefensbeek-Kamschlacken im Bauamt (F3) und nicht durch F4 erfolgte; zwar sollte F4 das
ursprünglich machen, der Auftrag wurde dann aber in der Tat letztlich von F3 vergeben. Im übrigen vertrat der
Stadtdirektor in der Sitzung die Auffassung, die Verwaltung habe bei dem von uns als "Luftbuchung
Röddenberghalle" bezeichneten Vorgang nicht gegen die Vorschriften verstoßen. Wir bleiben bei unserer
Auffassung, die wir in unserem Beitrag im Finanzausschuss vom 4. 10. 2000 (s. rechts) begründet haben).
Kein Leben auf Kosten der Kinder
Die Tilgung der städtischen Kredite liegt bei 50 Raten (25 Jahre Laufzeit) und als
Annuitätendarlehen zwischen 1% bis max. 5% (Tilgungsdauer 14 bis 31 Jahre). Mit diesen langfristigen
Krediten werden auch kurzlebige Investitionsgüter finanziert. Wir zahlen also heute noch Computer bzw.
Taschenrechner ab, die zwischen 1969 und 1986 angeschafft wurden. 1969 kostete ein Taschenrechner mit
4 Grundrechnungsarten über 400 Mark, PC’s gab es noch nicht, 1986 war die Zeit der
MS-DOS-Computer.
Ein heute angeschaffter Computer gehört in 31 Jahren ins Industriemuseum, wird aber möglicherweise noch
abgezahlt werden müssen. Ich werde in 31 Jahren vermutlich seit 6 Jahren tot sein, der Stadtdirektor wird
dann wohl seit 17 Jahren unter der Erde liegen - die statistische Lebenserwartung für Männer beträgt
76 Jahre. Ein Kind, welches in 5 Jahren zur Welt kommt und mit 18 Jahren anfängt, Geld zu verdienen,
wird also 8 Jahre lang den Kredit für einen Computer tilgen müssen, der schon bei seiner Geburt verschrottet
war. Die Position der FWG-Fraktion: Kein Leben auf Kosten unserer Kinder, schon mal gar
nicht bei der Anschaffung kurzlebiger Investitionsgütern. Wer im Extremfall 6 Computergenerationen
über Kredit finanziert - fünf davon sind bereits entsorgt - braucht sich im übrigen über ansteigende Schulden
nicht zu wundern.
Das RPA schlägt vor, kurzfristige Kredite (5-8 Jahre) und langfristige Kredite im Verhältnis der
Ausgaben der UGr935 (Erwerb beweglicher Sachen) zu den Ausgaben der UGr 92, 94, 95, 96
(Baumaßnahmen) sowie 930 und 932 (Beteiligungen) aufzunehmen. Die FWG-Fraktion hält das für einen
guten Vorschlag. Dass die Verwaltung in ihrer Stellungnahme zum RPA - Bericht argumentiert, ein derartiges
Vorgehen könne den Haushaltsausgleich gefährden, halten wir für extrem kurzsichtiges Denken. Richtig ist:
Wer einen kurzfristigen Kredit aufnimmt, muss höhere Tilgungen zahlen, als wenn er die Rückzahlung auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt. Mittelfristig sind kurzfristige Kredite aber erheblich billiger als langfristige
Kredite, da man weniger lange Zinsen zahlt. Der Hinweis der Verwaltung dagegen, nicht alle Ausgaben des
Vermögenshaushaltes seien kreditfinanziert (so dass die oben angegebene Formel nicht unmittelbar
anwendbar ist), ist nicht von der Hand zu weisen. Wir werden diese Frage prüfen, die Zeit zum Handeln ist
ggf. dann gekommen, wenn die nächste Kreditvergabe zu entscheiden ist.
Nettokreditaufnahme Null ist die rote Linie
Der Schuldenstand der Stadt incl. Nebenbetriebe (S. 52 des Prüfberichtes) ist von 1998 auf
1999 von 89,4 Mio. Mark um 5,5 Mio. Mark auf 94,9 Mio. Mark gestiegen. Im wesentlichen handelt es sich
bei diesem Anstieg um die Zunahme nichtrentierlicher Schulden bei der WIBO
(die das Erlebnisbad Aloha
betreibt) um 5,3 Mio. Mark. Ich zitiere aus dem Prüfbericht: "Das RPA sieht sich außerstande, die
Gesamtschulden der Stadt zu bewerten, da die exorbitante Schuldenzunahme bei den Fremdschulden auf
entsprechenden Beschlüssen des Rates beruhen. Dem Rat kann nur anempfohlen werden, die weitere
Aufnahme von Darlehen äußerst restriktiv zu betreiben". Das ist auch die Position der FWG-Ratsfraktion.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auf zwei gegenläufige Entwicklungen aufmerksam zu machen.
Vom Beginn der Wahlperiode, Ende 1996 bis Ende 1999 sind die Schulden der Stadt incl. Nebenhaushalte
von 55,6 Mio. Mark um 71% auf 94,9 Mio. Mark angestiegen; 25,5 Mio. Mark oder 65% dieses Anstieges der
Schulden um 39, 3 Mio. Mark kommen von der WIBO und basieren im wesentlichen auf dem Erlebnisbad
Aloha. Beim Landkreis Osterode dagegen sind die Schulden von 134,9 Mio. Mark (Ende 1996) um 23 %
auf 103,9 Mio. Mark (Ende 1999) gesunken, davon 6,4 Mio. Mark in 1999. Ende 2000 wird der Landkreis nur
noch 96,7 Mio. Mark Schulden haben. Der Landkreis gewinnt also durch niedrigeren Schuldendienst
Handlungsspielräume zurück, wir verlieren sie immer mehr. Nettokreditaufnahme Null, das ist für uns die
rote Linie, die in absehbarer Zukunft grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Unsere Fraktion tritt
für Nachhaltigkeit in ökonomischer und ökologischer Hinsicht ein.
Anmerkung der Redaktion: Ihre Meinung (Leserbrief) interessiert uns, für
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